Er darf's, weil er's kann

■ In "Muttertag", dem ersten von drei neuen "Schimanski"-Krimis, ermittelt Götz George ausgerechnet im Balkan (So., 20.15 Uhr, ARD)

Als Götz George, längst zum preisgekrönten Kino-Star gereift, im vergangenen Jahr entschied, sich sein TV-Alter-ego Schimanski nach sechs Jahren Abstinenz „wieder zu gönnen“, waren die Reaktionen gespalten.

Zwar ging die Einschaltquote (13 Millionen Zuschauer bei der ersten neuen Folge) in Ordnung, und nicht nur der Stern bejubelte das Comeback des „Ruhrpott- Che“. Andere aber kritisierten schwache Drehbücher, mokierten sich über die verlorengegangene Revieranbindung des nunmehr in Belgien hausenden Antibullen oder beklagten das Fehlen des verstorbenen Eberhard Feik alias Thanner. „Und keiner sagt mehr Horst zu ihm“, trauerte etwa die Berliner Zeitung. Keine ganz leichte Aufgabe für die Macher, den Mythos mit drei weiteren Folgen ins Jahr 1998 zu transportieren.

Für „Muttertag“, die erste der neuen Ausgaben, hat sich Autor Horst Vocks denn auch einen ebenso spektakulären wie heiklen Plot ausgedacht. Er läßt Schimanski im kroatisch-bosnischen Grenzgebiet nach einem durchgeknallten deutschen Söldner fahnden und provoziert damit die alte Frage, ob es wünschenswert ist, einen fiktionalen Unterhaltungsfilm vor dem Hintergrund real existierender Kriegsverbrechen anzusiedeln. Da werden Erinnerungen an den ärgerlichen Pro7-Bundeswehrstreifen „Die Friedensmission“ wach, schlimmstenfalls könnte man sich Schimanski als Rambo-Verschnitt im Geheimauftrag des deutschen Vaterlandes ausmalen.

Doch derartige Befürchtungen erweisen sich in diesem Fall als unberechtigt: Die von Mark Schlichter („Ex“, „Der Ausbruch“) inszenierte Gratwanderung zwischen Schimi-Krimi und Bürgerkriegsdrama ist beklemmend gut gelungen. Zwar leistet sich der Film zunächst mal einen ganz veritablen James-Bond-Einstieg, wenn sich in einer kühlen Büroetage die Kripo- Leute mit einer Staatsanwältin (Suzanne von Borsody) über einen brisanten illegalen Einsatz verständigen und schließlich zu dem Schluß kommen, daß den natürlich nur einer durchführen kann. Doch erstens darf ein bißchen Schimi- Kult ja sein, und zweitens hat die Szene noch eine darüber hinausgehende dramaturgische Funktion: Durch sie bekommt der Zuschauer eine Ahnung von Schimanskis wahrem Auftrag. (Er selbst wird darüber im unklaren gelassen.) Während er in dem Glauben ins Krisengebiet Balkan fährt, dort nur die Echtheit eines Totenscheins überprüfen zu müssen, steht ihm tatsächlich die Konfrontation mit einer Bestie in Menschengestalt (eindrucksvoll abstoßend gespielt von Sylvester Groth) bevor.

Als der solcherart Gelinkte dann am Einsatzort ankommt, ist Schluß mit Mätzchen. Hier, in einer Geisterlandschaft aus Dorfruinen und Massengräbern, wirkt Schimanski wie ein angesichts des ihm begegnenden Elends ziemlich sprachloser armer Hund. Einstecken muß er, und zwar nicht zu knapp: Einmal wird er von zwei Männern mit vorgehaltenen Gewehren gezwungen, in ein Minenfeld zu laufen; diese Szene und ihre Auflösung entfalten einen Sog, wie er bei einem Fernsehfilm nicht alltäglich ist. Ähnliches gilt für eine andere Situation, in der Schimanski in der Höhle des Löwen gefangen ist. Da schafft es Götz George, nicht nur Nehmerqualitäten zu zeigen, sondern eben auch Qualität, indem er beim Betrachter Betroffenheit erzeugt.

Und weil er das kann, darf er sich auch an solche Stoffe wagen. So soll Schimanski ruhig noch ein Weilchen weitermachen. Peter Luley

„Rattennest“ und „Geschwister“, die weiteren neuen „Schimanski“- Folgen, laufen am 15. November bzw. 6. Dezember in der ARD