Kein Lohn der Jugend

■ Hamburger Arbeit will die Löhne für Jugendliche in Qualifizierungsmaßnahmen senken. Freie Träger lehnen das ab.

„Es ist ungerecht, ungleiche Leistung gleich zu honorieren.“ So lautet der Leitspruch von Detlef Scheele, seit fünf Jahren Geschäftsführer des städtischen Beschäftigungsträgers Hamburger Arbeit (HAB). Scheele ersann daher den Jugendtarif: Statt wie bisher 2800 Mark sollen Jungerwachsene ohne Berufsausbildung künftig 1500 Mark brutto verdienen, wenn sie in einer Beschäftigungsmaßnahme auf das Berufsleben vorbereitet werden. Scheeles Begründung: „Wenn man 18 bis 25jährigen sagt, wir geben euch 2800 Mark, dann verzerrt sich deren Bild von der Arbeitsrealität in Deutschland.“ Zum Vergleich führt der HAB-Chef gerne „reale“ Tariflöhne an. So liegen die Einstiegsgehälter beim Gebäudemanagement der Lufthansa etwa bei 2314 Mark brutto, „und die Kassiererin bei Plus verdient ganze 2000 Mark.“

Scheele ist in Hamburg nicht der einzige, der gerne einen Jugendtarif sähe. Schon der rot-grüne Koalitionsvertrag, den Scheele als damaliger Kreisvorsitzender SPD-Nord 1997 mitgestaltete, sieht vor, daß über einen Jugendtarif verhandelt wird. Dafür sollten sich der Arbeitgeber der HAB, die Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg (AVH) mit der Tarifgemeinschaft Hamburger Beschäftigungsträger (THB) an einen Tisch setzen. Die THB, die alle freien Hamburger Beschäftigungsprojekte vertritt, lehnt solche Verhandlungen ab.

„Qualifizierung muß attraktiver sein als Sozialhilfe oder Gelegenheitsjobs“, begründet Gisela Beck, Geschäftsführerin beim Harburger Beschäftigungsträger Gate. Ansonsten seien Jugendliche nicht zu motivieren. Mit einem Gehalt in Höhe von 1500 Mark, da ist sich Beck sicher, „produzieren wir Schwarzarbeit.“ Sabine Vielhaben von der Jugendhilfe Ottensen pflichtet dem bei. Kommt der Jugendtarif, „dann können es sich nur noch wenige leisten, bei uns zu arbeiten“, meint sie. „Der Tarif ignoriert die Lebensrealität junger Erwachsener.“

Auch die ÖTV signalisierte zunächst, mit ihr seien Dumpingtarife dieser Art nicht zu machen. Nun zeigt sich ÖTV-Chef Wolfgang Rose plötzlich verhandlungsbereit. Denn unlängst kündigte die AVH den Tarifvertrag der HAB. „Für uns stellt sich die Frage“, so Rose, „ob wir nicht doch versuchen sollten, rauszuholen, was rauszuholen ist.“ Immerhin könne ein Jugendtarif ja auch Mietzuschüsse oder Kinderzulagen beinhalten.

„Das rot-grüne Hamburg darf kein Vorreiter für einen Niedriglohnsektor für Jungerwachsene sein“, konterte Norbert Hackbusch (Regenbogen), der noch in seiner Eigenschaft als GAL-Abgeordneter den Koalitionsvertrag mitformulierte. Und auch die grüne Fraktionschefin Antje Möller sieht in diesem Punkt plötzlich Gesprächsbedarf mit der SPD. Sabine Steffen, jugendpolitische Sprecherin der GAL, hofft gar, daß man mit dem Koalitionspartner den Punkt Jugendtarif aussetzen könnte. Immerhin, so Möller, gab es zum Zeitpunkt des Koalitionsvertragsabschlusses noch nicht das Sofortprogramm der Bundesregierung für Jugendliche. Das sieht Tariflöhne in voller Höhe vor und würde es auch in Hamburg ermöglichen, ABM-Stellen für Jungerwachsene zu schaffen.

Doch das scheint nicht gewollt. „In Zeiten knapper Kassen kommt es darauf an, aus jeder Mark mehr zu machen“, erklärte unlängst Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) und sprach sich deutlich für den abgesenkten Tarif aus. Uwe Grund, sozialpolitischer Sprecher der SPD und Chef der Gewerkschaft DAG sieht das ähnlich. „Was im Koalitionsvertrag drinsteht, sollte gemacht werden“, lautet seine Devise. Außerdem wolle er sich als Abgeordneter nicht mehr ins Tarifgeschäft anderer einmischen. „Das ist jetzt Sache von ÖTV und Arbeitgebern.“ Karin Flothmann