: Nicht ein Funken Arno Funke
■ Nach dem glücklosen Glatzeder floppt der SFB erneut mit einem „Tatort“-Team: „Dagoberts Enkel“ (Sonntag 20.15 Uhr, ARD)
Recht auf intelligente Unterhaltung wird weiter mit Füßen getreten. Auch Arno Funke, der als „Dagobert“ den Typus des freundlichen kleinen Tüftlers populär machte und dem Publikum viel Vergnügen bescherte, konnte es nicht verhindern: Der neue SFB-„Tatort“ mit dem irreführenden Titel „Dagoberts Enkel“ wird gesendet. Legale Gegenmaßnahmen griffen nicht: Der Antrag von Funkes Anwalt auf eine einstweilige Verfügung endete mit einem Vergleich: Zwölf Sekunden vor und zehn Sekunden nach der Ausstrahlung des „Tatorts“ muß der SFB mitteilen, daß „Dagoberts Erben“ nicht die Geschichte Arno Funkes erzählt, sondern frei erfunden ist. Diese 22 Sekunden Standbild sind die aufregendsten des TV-Stücks.
„Dagoberts Erben“ steht bombenfest in der Tradition des SFB-„Tatorts“. Einst war Heinz Drache exhumiert worden, um den langweiligsten Kommissar des Landes zu geben, auch dem letzten SFB-Kommissar Winfried Glatzeder half kein Gott und kein Zoni-Bonus, und jetzt griff der SFB vor lauter Verzweiflung richtig tief ins Klo: Stefan Jürgens und Dominic Raacke sind die neuen Berliner „Tatort“-Kommissare. Deren Schauspielkunst ist leider von der Art, daß man sich vor ihr unter der Auslegeware verstecken möchte.
Speziell Stefan Jürgens zeigt sich als Zierde seiner Zunft – den „unverzeihlich schneidigen Gesichtsausdruck“ des RTL-„Samstag Nacht“-Witzbolzens hat Fritz Tietz schon 1997 im „Who's who peinlicher Personen“ gewürdigt. Als Kommissar darf Jürgens seine streng riechenden Vorstellungen von Humor zwar behalten und entsprechend „Scheiße“ oder „Arsch“ sagen; andererseits aber soll er auch eine gewisse Tiefe ausstrahlen. Das ist schwierig, wenn einem die Flachheit aus den Augen guckt und man auch nur diesen einen Gesichtsausdruck zur Verfügung hat. So läßt Jürgens jedesmal, wenn er ernst aussehen möchte, das Gesicht herunterfallen. Wer für ungewollte Komik etwas übrig hat, wird hier gut bedient.
Sein Kollege Dominic Raacke verstrahlt die Botschaft: Willkommen in den 80er Jahren! Seine Rolle hat den Schimanski-Komplex, Currywurst, Bier zum Frühstück und Fieslingsschnäuzer inklusive. Die eher sadistisch orientierten Drehbuchschreiber Horst Freund und Thomas Wittenburg haben sich ansonsten solche Sachen ausgedacht: „Große Stadt, große Träume, wie das so ist.“ – „Der Mann ist eine tickende Zeitbombe.“ – „Ich bin dein Partner.“ Ihr Stück folgt der bekannten Logik des neueren deutschen Polizeifilms: Die wahren Anarchisten sind die Zwangskasper von der Kripo, Kriminelle dagegen sind Spießer, und 90 Minuten sind eine schöne Folterstrecke.
Dreist flanscht sich der Titel „Dagoberts Erben“ an die intelligenten und sympathischen Aktionen von „Dagobert“ Arno Funke an, der leider nur mehr legal tätig ist; eine hübsche kleine Erpressung hätte den SFB vor diesem neuen Flop bewahren können.
Wiglaf Droste
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