Zirkus reist unverdrossen weiter

Dem Beachvolleyball bläst bei der eigenen WM nicht nur der sprichwörtliche Wind ins Gesicht. Doch zumindest die Partysuggestion funktioniert noch   ■  Aus Marseille Oliver Camp

Beachvolleyball gleicht einem familiären Wanderzirkus. Dieselben Personen tingeln im Sommer jedes Wochenende zu Sandflächen in der ganzen Welt und zeigen ihre Kunststückchen. Die Sommerroutine und die gemeinsame Abhängigkeit von Sponsoren und Vermarktungsagenturen schweißt zusammen. Die Weltmeisterschaft und das Preisgeld für die Siegerpaare in Höhe von jeweils 60.000 US-Dollar locken diese Woche nach Marseille. Besonders erfolgreich bislang: Ulrike Schmidt und Gudula Staub aus Münster.

Direkt am Mittelmeer, südöstlich vom Stadtzentrum, am Plage du Prado, ragen die von Gerüstbauern errichteten Tribünen in den hellblauen Himmel. Mehr als 3.500 ZuschauerInnen faßt der Centre Court, bislang eine übertrieben große Zahl von Sitzplätzen, denn auf den glühend heißen Plastiksesseln verlieren sich bis zum Nachmittag kaum ZuschauerInnen. Der Moderator ballert seit dem Beginn des ersten Spiels um neun Uhr morgens unermüdlich elektronische Rhythmen aus den Boxen. Einzig wenn die Teams aus Frankreich agieren oder die obligatorische brasilianische Sambatrommelgruppe erscheint, schwappt gute Laune über die Tribüne. Allez, Partysuggestion.

In Deutschland dagegen kennt Beachvolleyball vordergründig kaum Probleme. Der Boom hält weiter an, wie Turnierorganisator Frank Mackerrodt versichert. Die nationale Turnierserie konnte kurzfristig einen neuen Hauptsponsor finden, wird von den öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten vermehrt gesendet, und die Zahl der AmateurturnierspielerInnen nimmt seit Jahren zu. Von dieser Seligkeit ist der Sport international noch weit entfernt. Das wird auch bei dieser Weltmeisterschaft in Frankreich deutlich: Der Erlebnis-Parcours für Freeclimbing, Wellenreiten und Mountainbikes eines Tabakkonzerns und Präsentationsflächen für einen französischen Autohersteller blenden das Publikum. Für die AthletInnen wurden ein optisch verlockender Fitneßgerätepark und ein großer Spiegel nebst Friseurmeister für das Styling bereitgestellt. Beides eher unnötig. Selbst die Gratis-Kiwis täuschen nicht über die fehlenden Toiletten und Spielstand-Anzeigetafeln für die Zuschauerinnen hinweg. Die Profis monieren Unterkünfte und Essen und erscheinen morgens mit genervten Gesichtern. Bonjour Tristesse. „Alles egal“, kommentiert Ulrike Schmidt die Verhältnisse. „Wir buchen jetzt unseren Flug um, denn mit diesem Turnierverlauf haben wir nicht gerechnet.“ Ursprünglich wollte Schmidt zusammen mit ihrer Partnerin Gudula Staub an diesem Wochenende ein Turnier in Deutschland spielen. Nach überzeugenden Siegen gegen die an Nummer eins gesetzten Favoritinnen Adriana-Behar/Shelda aus Brasilien und das an Nummer acht gesetzte Team Davis/Jordan ist ihnen der fünfte Platz bereits sicher, und jetzt alles möglich.

Vom Wind verweht dagegen wurden die guten Aussichten von Maike Friedrichsen und Danja Müsch, dem bislang erfolgreichsten Duo aus Deutschland. Gegen das japanische Doppel Takahashi/Teru Saki führten sie bereits 7:0 und gaben dann auf einem Nebenplatz 15 Punkte in Serie ab. Während in den Tagen zuvor noch kalkulierbare Luftbewegungen den SpielerInnen das Miteinander ermöglichten, waren die ab Donnerstag wehenden Sturmböen auf allen Nebenplätzen ein Hindernis. Zum Glück werden die Halbfinale und das Finale heute nachmittag auf dem Centre Court ausgetragen, denn dort schirmen die Tribünen die Winde etwas ab. Angesichts des Turnierabbruchs vor zwei Jahren wegen Sturm und der stets knauserigen Turnierausstattung ist die Vergabe des Turniers nach Marseille durch den Internationalen Volleyballverband (FIVB) unerklärlich. Die AthletInnen murren zwar, ahnen jedoch, daß sie austauschbare Akteure in einer Manege sind, deren Spielregeln allein FIVB-Präsident Ruben Acosta bestimmt.

Jörg Ahmann und Axel Hager benehmen sich mehr und mehr wie ein altes Ehepaar: Gelegentlicher Streit hält die beiden zusammen. Vor Turnierbeginn wurde ein Platz unter den Top ten anvisiert. Aber obwohl sie nach der gestrigen Niederlage gegen Heidger/Wong (USA) nur 13. wurden, marschieren die beiden weiter als als bestes deutsches Team auf die sichere Olympia-Qualifikation zu. Die Dieckmann-Zwillinge aus Bonn, in Deutschland bisher die Nummer zwei, konnten sich nach zwei verlorenen Spielen wieder direkt zum Flughafen begeben. Beachtlich aber das dritte deutsche Herrenduo: Andreas Oetke und Sven Scheuerpflug hauten sich durch die Qualifikation ins Hauptfeld und schieden dort nach einem Sieg aus. Welches Männerduo neben Ahmann/Hager am Olympiaturnier in Sydney teilnehmen darf, bleibt also spannend.

Die AthletInnen ahnen, daß sie nur mehr austauschbare Akteure in einer Manege sind, deren Spielregeln andere bestimmen