Jörg Haiders FPÖ punktet am Vorarlberg

■ Bei Landtagswahlen in einer österreichischen Region legt die rechtsextreme FPÖ zu. Panik bei den alteingesessenen Parteien zwei Wochen vor den Nationalratswahlen

zusammengehen

Wien (taz) – Vorarlberg ist jener gebirgige Landstrich zwischen Arlberg und Rhein, der den meisten Österreichern bestenfalls von Skiurlauben und Operettenaufführungen auf der Bregenzer Seebühne bekannt ist. Und selten haben Landtagswahlen in dem kleinen Bundesland für so viel Aufregung in Österreich gesorgt wie diesmal. Die in Vorarlberg seit dem Krieg mit absoluter Mehrheit regierende ÖVP verlor am Sonntag mehr als vier Prozentpunkte. Zwar bleibt sie mit 45,71 Prozent Stimmenanteil noch die mit Abstand stärkste Partei, wird aber nur mehr 18 (bisher 20) von 36 Sitzen einnehmen und braucht daher einen Koalitionspartner. SPÖ und Grüne verloren je ein Mandat und haben jetzt fünf respektive zwei Abgeordnete. Alle von diesen Parteien verlorenen Mandate wanderten zur Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) von Jörg Haider, die sich von 18,39 auf 27,48 Prozent katapultierte.

Der Sturmwind aus dem westlichen Bundesland scheint bei der rot-schwarzen Koalition in Wien Katastrophenalarm ausgelöst zu haben – schließlich stehen in zwei Wochen Nationalratswahlen an. Erstmals seit dem Krieg wird es diesmal mehr Wechsel- als Stammwähler geben. Die Loyalität gegenüber einer bestimmten Partei, die jahrzehntelang für berechenbare Wahlergebnisse sorgte, gehört endgültig der Vergangenheit an.

Besonders schmerzlich bemerkt dies die christdemokratische ÖVP, die in allen Umfragen hinter die FPÖ zurückgerutscht ist. Während Haiders Partei landesweit stabil bei 28 Prozent liegt, befindet sich die Volkspartei auf einer Talfahrt, die bei 26 Prozent begann und derzeit bei 23 Prozent angelangt ist. Parteichef und Vizekanzler Wolfgang Schüssel versuchte seine Anhänger aufzurütteln, indem er vor zwei Wochen verlauten ließ, er werde nach einer Schlappe in die Opposition gehen.

Kanzler Viktor Klima muss sich zwar noch keine Sorgen machen, dass die SPÖ ihre Führungsposition verliert, doch werden auch ihr kräftige Verluste prognostiziert. Und wenn Klima mit der ÖVP der Koalitionspartner flöten geht, stellt sich die Frage, woraus die nächste Regierung rekrutiert werden soll. Denn mit der FPÖ, so Klima kategorisch, geht nichts. Eine Ampelkoalition mit den Grünen und dem vom Untergang bedrohten Liberalen Forum (LiF) wird voraussichtlich rechnerisch nicht ausreichen. Außerdem vermisst Grünen-Chef Van der Bellen „positive Signale aus der SPÖ“. Die große Regierungspartei lehnt zwar die Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen ab, hat sich aber in den letzten Jahren immer mehr dem von Haider vorgegebenen Rechtstrend angepasst.

Doch mit der FPÖ will keiner

Ohne FPÖ wird es voraussichtlich keine Mehrheit geben. Doch mit der FPÖ will keiner zusammengehen. Grund genug für das unverhohlen mit Haider sympathisierende Boulevardblatt Kronen Zeitung, italienische Verhältnisse an die Wand zu malen. Österreich drohe die Unregierbarkeit. In seiner Panik begann Kanzler Klima von einer „Regierung der besten Köpfe“ zu fantasieren, was bei den sozialdemokratischen Ministern Verärgerung und bei den meisten Kommentatoren Kopfschütteln hervorgerufen hat.

Der Aufwind für Haider, der im März zum Landeshauptmann von Kärnten gewählt wurde, hängt nach Meinung der Politologen nicht zuletzt mit dem zunehmend fremdenfeindlichen Klima in Österreich zusammen. Mit Plakaten, die „Stopp der Überfremdung“ fordern und „Keine Gnade für Drogenhändler“ versprechen, hat die FPÖ in Wien die latente Xenophobie geschürt. Zwar wurden die aggressiven Plakate von allen anderen Parteien und den Kirchen als infam und hetzerisch verurteilt. Doch was zählt, sind die Wählerstimmen.

Laut einer am Montag veröffentlichten Umfrage wollen 71 Prozent der Österreicher die Grenzen für alle Ausländer dichtmachen. Von den über 60-Jährigen fordern 60 Prozent „Ausländer raus“, die unter 30-Jährigen sprachen sich immerhin zu 34 Prozent für mehr Abschiebungen aus.

Obwohl die Daten des Innenministeriums für 1998 eine Negativimmigration ausweisen, fürchten 42 Prozent der Befragten, dass Fremde ihnen den Arbeitsplatz streitig machen könnten. Für Professor Rainer Münz, einen der Autoren der Studie, sind die Ausländer „so etwas wie eine Projektionsfläche von Ängsten“, ein Phänomen, das von der Politik verstärkt werde. Besonders anfällig seien ältere Personen und solche mit niedrigem Bildungsniveau. Am meisten fürchten sich allerdings nicht die Staatsbürger, die ständig von Ausländern umgeben sind, sondern gerade jene, die kaum zu Fremden Kontakt haben.

Ohne FPÖ wird es voraussichtlich keine Mehrheit geben.

Ralf Leonhard