taz-LeserInnen-Aktion

■ Wir haben euch unsere Stimme nur geliehen

Nach einem Jahr Rot-Grün fragen wir: Was halten Sie heute von unserer Regierung? Geben Sie Ihre Stimme noch einmal ab. Kurze Antworten an die taz, Stichwort Rot-Grün, Kochstr. 18, 10969 Berlin; Fax: (0 30) 2 51 93 16; E-Mail: lesertaz.de

Das Unwort des ersten rot-grünen Jahres lautet „Vermittlungsproblem“. Die schlechten Umfrage- und Wahlergebnisse deuten nicht auf eine schlechte Werbestrategie hin, sondern auf den schleichenden Erstickungstod eines Reformprojektes, das schon im Bundestagswahlkampf begraben wurde. Wer die fehlende Akzeptanz der dreißig Sparmilliarden mit „Vermittlungsproblemen“ erklärt, offenbart, dass Eichels Sparprogramm nicht Teil eines gesellschaftlichen Zukunftskonzeptes ist, sondern nichts als ein werbestrategisch auszuschlachtender Brioni-Mantel.

Felix Holland, Hamburg

Von einigen positiven Entscheidungen abgesehen, wie dem Verzicht auf die Zuzahlung von Patienten für Psychotherapie, hat mich vor allem die Entwicklung der Grünen schockiert. Welche Medienresonanz da Leute mit FDP-Sprechblasen hatten und Raum für Hetze gegen den eigenen Umweltminister. So gesehen hätten die Wahlschlappen der letzten Zeit sogar was Erfreuliches, wenn dadurch nicht ökologische und soziale Themen noch weiter an den Rand gedrängt würden.

Konrad Freidinger, Heidelberg

Ich bin Jahrgang 1946. Ich habe schon viele nach meinen Kreuzen kommen und gehen sehen. Ein Kreuz bei der CDU habe ich noch nie gemacht. Als ich letztes Jahr Grün ankreuzte, habe ich mir nicht viel versprochen. Ich konnte einfach die Gesichter, die Dummheit und die Selbstzufriedenheit derjenigen nicht mehr ertragen, die an der Regierung waren. Als Schröder Bundeskanzler wurde, war ich ein wenig erleichtert, um dann aber feststellen zu müssen, dass wir jetzt statt einer Birne einen Audi als Bundeskanzler haben. Und der hat die fähigsten Leute versammelt. Wenn einer dreimal vom Fahrrad fällt, hat er bei uns schon die Fähigkeit, Kriegsminister zu werden; wenn einer Transrapid richtig schreiben kann, wird er Verkehrsminister. Einzige Ausnahme scheint Andrea Fischer zu sein. Wenn ich heute Kreuze machen würde, dann würde ich sie an den gleichen Stellen machen, schon um zu verhindern, dass die Alten wieder an die Fleischtöpfe kommen. Meine inzwischen erwachsenen drei Kinder gehen keine Kreuze machen, und keine Macht der Welt bringt sie an die Urnen. Von mir haben sie das nicht. In dem Fall handelt es sich um 18 Jahre CDU-Erziehung. Demokratie zum Abgewöhnen.

Jens Meyer, Hamburg

Unser Außenminister ist genauso gut wie Genscher, ist auch genauso geachtet – aber deswegen habe ich ihn nicht gewählt.

Laut Schröder sollen wir ihn an den Arbeitslosenzahlen messen. Ich tu's und find ihn scheiße.

Richard Kurzweil, Wangen/

Allg.

Nach der anfänglichen Flaute bleibt Kapitän Schröder, Steuermann Fischer und der Crew nur, endlich die wahren rot-grünen Segel zu setzen und so den schwarzen Stimmenfischern davonzuziehen. Alles andere wäre glattes Versagen und nährt die vorhandene Titanic-Stimmung.

Mario Puchner, Marburg

Was Kanzler Schröder in wenigen Monaten „hinbekommt“, habe ich mir vor einen Jahr nicht vorstellen können: Deutsche Soldaten kriegen im ehemaligen „Jugoslawien“; drastischer Sozialabbau bei Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern; diejenigen, die gut dastehen, kommen ungeschoren davon; die Kohlsche Politik der Umverteilung von unten nach oben wird fortgesetzt und gipfelt in der Rentenlüge.

Roland Hornauer, Erlangen

Politik ist ein mühsames Geschäft. Satte Bürger, die an das Höher, Schneller, Weiter glauben, von Reformen zu überzeugen, braucht viel Geduld und starke Nerven. Erste Schritte sind getan, wenn auch mehr gestolpert als gegangen. Ich werde am Ende der Wahlperiode urteilen und engagiere mich derweil mit aller Kraft weiter für die Grünen.

Julius H. Krizsan, Winsen/

Aller

Als ich Gerhard Schröder meine Stimme gab, sah ich in ihm ein eher notwendiges Mittel zu einem guten Zweck. Ich hätte nicht gedacht, wie schnell ein aufgeblasener Popanz wie er es schafft, alles in der SPD an sich zu reißen, dabei sämtliche sozialdemokratischen Werte über Bord zu werfen und parteiinterne Kritiker abzuservieren. Mittlerweile sehe ich in ihm nur noch ein schlechtes Abziehbild unserer Zeit. Einen skrupellosen Wichtigtuer, der vorgibt, etwas zu sein, was er gar nicht ist: ein großer Staatsmann und Erneuerer. Schröder blockiert als Parteivorsitzender den Entwicklungsprozess der SPD hin zu einer modernen sozialdemokratischen Partei. Ich würde wieder SPD wählen, nicht die „Neue Mitte“.

Moritz Fromme, München

Vom Umbruch ist überhaupt nichts zu spüren. Zum Beispiel haben die Grünen eine bessere Verteilung der Arbeit in ihr Programm reingeschrieben. Der Nahverkehr sollte verbessert werden. Bisher habe ich nichts davon gesehen. Wo bleiben alternative Energien, Solarzellen, Wasserstoff ?

Siegfried Behrendt, o. O.