Zwischen Badewannen und Särgen

■ Drei Blaumeier-Künstler erinnern mit einer Ausstellung im Krankenhaus-Museum an die Opfer der NS-Euthanasie - kurzzeitig. Für einen Wettbewerb um ein dauerhaftes Mahnmal wurden lieber Stars wie Jenny Holzer eingeladen

Wie ein dunkles schwarzes Auge starrt eine Art Scheinwerfer aus dem Boden der Skulptur. Daneben steht ein beinahe menschlich wirkendes Wesen mit unappetitlichem schwarzem Kraushaar. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass es sich bei den beiden Figuren um Badewannen handelt. Um Badewannen, die der Künstler Günter Beier unter dem thematischen Aspekt „NS-Euthanasie“ bearbeitet hat, wodurch sie zu bedrohlich blickenden Standfiguren geworden sind.

Diese Bedrohlichkeit ist das verbindende Element zwischen den ansonsten völlig verschiedenartigen Werken von drei Blaumeier-Künstlern, die noch bis zum 20. Oktober in den Ausstellungsräumen des Krankenhauses Bremen-Ost zu sehen sind. Die Ausstellung gehört zum Rahmenprogramm des von der Kulturbehörde in Kooperation mit dem Krankenhaus ausgeschriebenen Wettbewerbs für das in Bremen geplante Mahnmal, mit dem der Opfer einer unmenschlichen NS-Medizin gedacht werden soll. Der Wettbewerb, zu dem acht Künstler aus verschiedensten Disziplinen eingeladen wurden, soll bis Ende Oktober entschieden werden. Ein Entwurf des Mahnmals soll dauerhaft in der Gesundheitsbehörde gezeigt, das Mahnmal selbst auf dem Gelände des Krankenhauses ausgestellt werden.

Neben Günter Beier haben sich auch seine beiden Blaumeier-Kollegen Helmut Mahlstedt und Stefan Hempen mit ihrer Kunst dem Thema gestellt. Zumindest Mahlstedt muss diese Aufgabe große persönliche Überwindung gekostet haben: Der 50-jährige Maler wurde 1970 erstmals in die psychiatrische Abteilung in Bremen-Ost eingeliefert und lernte seitdem die unterschiedlichsten Stationen und Formen der modernen psychiatrischen Behandlung in eigener leidvoller Erfahrung kennen.

Nur zu verständlich sind daher die Angst und das Entsetzen, die seine Arbeiten vermitteln: Auf einem dieser Bilder drückt beispielsweise eine riesengroße Hand auf den Kopf einer kleinen schwarzen Figur, die vor einer blutrot bemalten Mauer steht. Auf der Flucht vor diesem furchteinflößenden Anblick scheint sich die Figur daneben mit ihrer seltsam verkrampften Armhaltung zu befinden. Gegenüber hängt das Porträt eines Menschen mit angstvoll aufgerissenen Augen, aus dessen Mund ein roter Strahl wie von Blut kommt. Immer wieder taucht in den Bildern das Thema Tod auch ganz explizit in Form von drangvoll engen Särgen und unheimlichen schwarzen Kreuzen auf.

Stefan Hempen, der dritte an dieser Ausstellung beteiligte Künstler, verbindet mit dem Begriff „Euthanasie“ vor allem die riesige Masse anonymer Opfer, die man meist mit der Nennung abstrakter Opferzahlen assoziiert. Seine „Seelenlandschaft“ hölzerner Skulpturen thematisiert Anonymität und Individualität gleichzeitig: Jede der skurrilen Figuren ist anders geformt, alle drehen und winden sich in verschiedene Richtungen, und doch bilden sie durch ihre identische Holzmaserung eine von weitem kaum unterscheidbare Einheit.

Man könnte meinen, dass gerade diese drei Künstler besonders geeignet wären, mit ihren Arbeiten am Wettbewerb um das Mahnmal teilzunehmen. Doch weit gefehlt: Das dafür zuständige Kuratorium hat die Teilnahme von Mitgliedern der Blaumeier-Gruppe abgelehnt. „Die Begründung lautete, dass sich die Blaumeier-Künstler nicht mit den anderen bekannteren Künstlern messen könnten - das war aber wohl eher ein Vorwand. Der Wettbewerb ist immer stärker in einen Kunstbetrieb hineingeraten, und die Psychiatrie-Betroffenen haben da einfach nicht mehr hineingepasst“, berichtet Pastor Bücking vom Krankenhaus Ost. Katharina Vatsella, die Kuratorin des Wettbewerbs, stellt den Vorgang etwas anders dar: „Die Blaumeier-Künstler sind nicht von uns abgewiesen worden, sondern es war die Entscheidung des Krankenhauses, das Projekt auf eine höhere, internationale Basis zu heben. Davon ganz abgesehen, war es aber auch eine konzeptionelle Entscheidung, keine Gruppen, sondern nur einzelne Künstler teilnehmen zu lassen. Wir wollten die Blaumeier-Gruppe einfach nicht auseinanderreißen.“

Da man sich manche der ausgestellten Werke durchaus auch in einer „ganz normalen“ Ausstellung über zeitgenössische Kunst vorstellen kann, ist dies offensichtlich auch nicht so ohne weiteres zu erklären. Mona Clerico

Die Ausstellung ist bis zum 20.10. im „Haus im Park“ sowie in der „Galerie im Park“ des Krankenhauses Bremen-Ost zu sehen. Termine für Führungen können unter 408 17 57 vereinbart werden. Am 13.10. um 15 Uhr findet unter dem Motto „Die wandernden Wannen im Park“ eine Finissage mit Lesungen von AutorInnen der Zeitung „Irrtum“ statt.