Ex-Neonazi heiratet Todeskandidatin Milke

■ Ingo Hasselbach verliebte sich bei Recherche in den USA in eine zum Tode verurteilte Berlinerin

„Heirate mich, bevor der Henker kommt“ – gesehen hat Ingo Hasselbach seine inhaftierte Verlobte noch nie

Nach Steffi Graf und André Agassi hat die Boulevardpresse ihr neues Traumpaar: Die in den USA zum Tode verurteilte Debbie Milke und der Neonazi-Aussteiger Ingo Hasselbach haben ihr Herz für einander entdeckt. Gestern gab Hasselbach, der inzwischen als Reporter für das Stadtmagazin tip arbeitet, seine Verlobung bekannt. Die B. Z. bedankte sich mit der Schlagzeile „Heirate mich, bevor der Henker kommt“.

Gesehen haben sich die beiden nie. Denn die Berlinerin Debbie Milke sitzt seit 1990 in der Todeszelle in Arizona ein. Der 35-jährigen gebürtigen Zehlendorferin droht die Hinrichtung durch die Giftspritze. Sie soll im Sommer 1989 den Auftrag zur Ermordung ihres damals vierjährigen Sohnes gegeben haben. Der Fall erregte in der Bundesrepublik großes Aufsehen, denn die Beweislage ist dürftig.

Hasselbach recherchierte im Sommer letzten Jahres im Fall Milke. Nur wenige Male durfte er mit der Frau telefonieren, dann schob die Gefängnisverwaltung einen Riegel vor. Selbst der Schriftkontakt wurde den beiden verboten. Trotzdem kamen sie sich näher. Hasselbach nahm seine Fragen auf Tonband auf und schickte sie in den Todestrakt. Milke antwortete, baute zunehmendes Vertrauen zu dem Journalisten auf. Ein inniges Verhältnis entstand. Milkes Mutter Renate Janka, die seit Jahren um das Leben ihrer Tochter kämpft: „Es ist eine Romeo-und-Julia-Geschichte.“ Jetzt will Hasselbach Debbie Milke heiraten – im Todestrakt von Arizona. Zur Zeit wartet er auf eine Antwort der zuständigen US-Behörden, die innerhalb der nächsten siebzig Tage über seinen Antrag entscheiden müssen. Die lange Anklage des Journalisten gegen die US-Justiz war in der Juni-Ausgabe des tip nachzulesen.

Anfang der neunziger Jahre agierte Hasselbach als Führer der Ostberliner Neonazi-Szene. Wegen seiner Beteiligung an einem Brandanschlag verurteilte ihn ein Gericht zu 18 Monaten auf Bewährung. 1993, nach den Morden von Mölln, trennte er sich von der rechtsextremen Szene. Mit seinem Buch „Die Abrechnung“, in dem er seinen Einstieg in den organisierten Neonazismus schildert, wurde der Sohn zweier DDR-Journalisten berühmt. In den USA ließ er sich von Starfotograf Helmut Newton fotografieren. Vor Gericht sagte er gegen seine ehemaligen Kameraden aus. Die schickten seiner Mutter eine Briefbombe an ihre Lichtenberger Adresse, die gerade noch rechtzeitig entschärft werden konnte.

Das Urteil gegen Debbie Milke stützt sich auf ein angebliches Geständnis, für das es keine Zeugen und von dem es keine Tonbandaufnahmen gibt. Ein karrierewütiger Polizist verhörte die Frau so lange, bis er glaubte, ein Geständnis zu haben; andere Beweise gibt es nicht. Mittlerweile setzen sich der Schauspieler Götz George, Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker, Petra Pau (PDS) und Renate Künast (Grüne) sowie das Auswärtige Amt für die Todeskandidatin ein. sand