weltsozialforum
: Eins zu null für Davos

Die Industriellen und Politiker, die sich in den letzten Tagen auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos getroffen haben, verfolgen ein gemeinsames Interesse: den Erhalt ihrer Pfründen. Das ist eine Basis, die zusammenhält. Und ein enormer Vorteil gegenüber all denen, die gemeinhin als „Globalisierungsgegner“ bezeichnet werden.

Kommentarvon KATHARINA KOUFEN

All diese Gewerkschafter, Umweltschützer, Bauern, Maoisten, Christen, Marxisten und Guerilleros, die zum Weltsozialforum ins brasilianische Porto Alegre gereist sind, eint eigentlich nur, dass sie gegen die Globalisierung sind. Über diesen Konsens hinaus verfolgen die Teilnehmer ausgesprochen unterschiedliche Interessen, zum Teil sogar entgegengesetzte: Da propagieren südamerikanische Bauernverbände, die Agrarproduktion für den heimischen Markt habe Vorrang. Gleichzeitig kritisieren Entwicklungsverbände, die Europäische Union müsse endlich ihren Markt für die Agrarprodukte aus Südamerika öffnen. Da diskutieren kritische Ökonomen über Möglichkeiten, wie die Finanzmärkte reguliert werden können, während andere Teilnehmer auch keinen „gezähmten“ Kapitalismus akzeptieren wollen, sondern ein ganz anderes System fordern. Da juckt es die einen in den Fingern, sobald sie eine McDonald’s-Fensterscheibe sehen, und die anderen lehnen jede Art von Gewalt ab.

Bezeichnend ist der Entschluss, keine gemeinsame Abschlusserklärung zu verfassen, aus Angst, „jemanden auszugrenzen“ – oder lediglich ein paar windelweiche Allgemeinplätze zustande zu bekommen. Bezeichnend auch, dass die letzten Tage der kostbaren Zeit damit verbracht wurden, über die Themen des Forums im kommenden Jahr zu diskutieren. So bleibt tatsächlich ein bisschen der Eindruck, den die Veranstalter vermeiden wollten: ein neues Woodstock, ein symbolischer Event ohne nennenswerte Konsequenzen.

Schade, sehr schade. Denn die Idee „Porto Alegre“ – nicht Protest, sondern konstruktive Verbesserungsvorschläge – war und ist sinnvoll. Und sie gibt Anlass zur Hoffnung, dass die neoliberale Ära irgendwann zu Ende sein wird. Noch ist das Ende aber nicht in Sicht. Bei allem nach außen bekundeten „Verständnis für die Globalisierungsgegner“ haben die Teilnehmer des Weltwirtschaftsforums in Davos „am Rande des Treffens“ eine neue Welthandelsrunde eingeläutet. Das heißt: Die Globalisierung soll weiter vorangebracht werden. Eins zu null für Davos.

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