TIERETHIK FEHLT IN DER EUROPÄISCHEN PHILOSOPHIE UND THEOLOGIE
: Sperrmüll Tier

Wir Deutsche sind zwar Weltmeister im Züchten von Kanarienvögeln und im Halten von Schoßhündchen, wir spendieren unserem Hansi oder Waldi schon mal einen Grabstein, aber die Herkunft des Fleisches, das wir zu uns nehmen, ist uns eher gleichgültig. Hauptsache, satt!

Der britische Theologe Andrew Linzey macht die christliche Kirche entscheidend mitverantwortlich dafür, „dass wir Millionen Tieren Schmerz, Leid und Tod zufügen“. Im Gegensatz zum buddhistischen Kulturkreis ist Tierethik bis heute der blinde Fleck in der abendländischen Theologie- und Philosophiegeschichte.

„Tiere haben keine Seele“, „Tiere sind Sachen“, „der Mensch im Mittelpunkt“ – so lautet das Credo einer 2.000 Jahre alten christlichen Theologie. Die logische Konsequenz für heute: Erst das Schnitzel, dann die Moral! Deshalb bleiben Tiere Sperrmüll, daher kann man – wie jetzt – auch gleich 400.000 Rinder beseitigen, wenn es denn der „Marktbereinigung“ dient. Die Kirche trat offiziell nie für die Rechte der Tiere ein. Und in Deutschland waren es ausgerechnet die sich christlich nennenden Parteien, die die Aufnahme des Tierschutzes in die Verfassung verhindert haben.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, steht im Grundgesetz. Und die Würde der Tiere? Man muss einem Rind oder einem Pferd, einer Katze oder einem Hund nur einige Sekunden bewusst in die Augen schauen und man beginnt etwas von unserer Verwandtschaft mit den Tieren zu ahnen. Die Wirkung dieser „Meditation“ ist kaum zu beschreiben. Das Tierische in uns selbst und das Seelische im Tier kann uns plötzlich bewusst werden.

Diese Verwandtschaft von Mensch und Tier haben wir verdrängt. Hauptsächlich deshalb macht übertriebener und blinder Fleischgenuss aus jeder Gesellschaft ein Massenkrankenhaus. Was haben uns die Tiere angetan, dass wir sie so behandeln? Unser real existierender Umgang mit Tieren ist legalisiertes Verbrechen.

Für die Rechte der Tiere einzutreten, setzt eine spirituelle Grundhaltung voraus. In der christlichen Tradition gibt es dafür aber bis heute kein Gespür. Den Reichtum des Lebendigen haben wir noch nicht einmal im Ansatz erkannt. Vielleicht verhilft uns die BSE-Krise dazu. Jetzt, wo klar wird: Alles, was wir Tieren antun, tun wir letztlich uns an. FRANZ ALT

Autor und Redakteur beim SWR