Rassisten gehen in Führung

Veronas Kapitulation vor seinen rassistischen Fans ist Ausdruck der Schwäche der Vereine. Statt Stadionverboten gibt es Freikarten für rechte Fans

aus Rom MICHAEL BRAUN

Eigentlich war eine Schweigeminute geplant – als Beitrag des Italienischen Fußballverbands zum Holocaust-Gedenktag. In Verona fiel beim Spiel gegen Parma das stille Gedenken schlicht aus; stattdessen ging es dann 90 Minuten lang ununterbrochen laut her im Stadion. Die „Curva Sud“, der Fanblock der heimischen Erstliga-Mannschaft Hellas, untermalte die gesamte Partie mit Affengebrüll. Die unartikulierten Laute galten Lilian Thuram, dem beim AC Parma spielenden Schwarzafrikaner.

Es war rassistischer Alltag im Stadion von Verona. Alltag, der kaum Aufsehen erregt hätte, wenn der Vereinspräsident Giambattista Pastorello nicht am Montag in einem Fernsehinterview noch eins draufgesetzt hätte. Befragt, ob es stimmt, er wolle den schwarzen Kicker Patrick Mboma engagieren, schüttelte Pastorello den Kopf: „Mboma? Die Tifosi würden mir niemals erlauben, einen farbigen Spieler anzuheuern.“ Die „Tifosi“ der Südkurve, von denen der Präsident da redet, sind militante Naziskins, die seit Jahren den Fanblock kontrollieren. Gerade der internationalisierte Fußball bietet ihnen die Gelegenheit, ihre rassistische Haltung mit Treue zum Verein zu kaschieren.

Nicht nur der Afrikaner Thuram war am Sonntag Ziel der Attacken, sondern auch ein Serbe des gegnerischen Teams und ein Neapolitaner – womit denn auch der inneritalienische Rassismus bedient war. Dem Verein ist das unangenehm, muss er doch schon wieder 40.000 Mark Strafe an den Fußballverband zahlen. Das Angebot des Präsidenten, der braune Fanblock könne sich durch Wohlverhalten eine Prämie von 100.000 Mark verdienen, hatten die Nazis vor einigen Monaten abgewiesen und ihrerseits ein Transparent entrollt: „Die Kurve lässt sich nicht kaufen.“ Stattdessen werden jeden Sonntag rassistische Chöre angestimmt, Schiedsrichter als „Juden“ niedergebrüllt, werden Puppen verbrannt, die schwarze Spieler darstellen. Und die Vereinsführung spielt das Treiben herunter: Nur 70 bis 80 „Dummköpfe“ seien da am Werk.

So einfach machen es sich auch die anderen Clubs. Lazio Rom ist seit Jahren für seine stramm rechten Ultras berüchtigt. Die „Forza Nuova“ gibt auf den Rängen der Nordkurve mittlerweile den Ton an. Kelten- und Hakenkreuze, enorme Spruchbänder gehören längst dazu. Das sei leider nicht zu kontrollieren, die Schriftzüge würden Buchstabe für Buchstabe ins Stadion geschmuggelt, entschuldigt sich jedes Mal der Club. Doch welcher Geist wirklich herrscht, zeigte sich letztes Jahr bei einer Diskussion der römischen Vereine mit der jüdischen Gemeinde. Da wurde der Lazio-Vertreter deutlich: Die Juden wüssten doch aus eigener Erfahrung, wie schwer es sei, den Rassismus in den Griff zu bekommen, da könnten sie von ihm doch keine Patentlösungen erwarten.

Die Nazis haben nichts zu befürchten. Seit Jahren erhalten die „Ultra“-Fanclubs von Lazio nicht etwa Stadionverbote, sondern Freikarten und Gratistransfers zu den Auswärtsspielen. Sie dürfen mit Vereinslizenz Fanshops betreiben. Es überrascht kaum, dass Lazio eines der wenigen Spitzenteams ist, die komplett ohne schwarze Spieler auskommen. Auch beim AS Rom erfreuen sich Neonazi-Ultras der Unterstützung seitens des Clubs. Sie haben es geschafft, die jungen AS-Rom-Fans der jüdischen Gemeinde aus der Südkurve im Olympiastadion zu vertreiben – sie trauen sich nicht mehr in den Fanblock.