Die schlechtesten Beweise der Ankläger

Der Kronzeuge, der Augenzeuge, das Zünderfragment: Die Anklage hat sich während des Prozesses auf erstaunliche Hilfsmittel gestützt

BERLIN taz ■ Der Kronzeuge der Anklage: Als die USA und Großbritannien im November 1991 stolz der Weltöffentlichkeit verkündeten, sie wüssten nun, wer die Pan-Am-Maschine über Lockerbie gesprengt habe, hatten sie Monate zuvor endlich einen Kronzeugen gefunden, der genau jenen Tathergang bezeugen mochte, auf dem die Anklage gegen die Libyer fußte: Abdel Majid Giacha, einen ehemaligen Kollegen des einen Angeklagten. Was die Öffentlichkeit damals nicht erfuhr: Giacha hatte schon Monate vor dem Anschlag auf der Lohnliste der CIA gestanden. Seine Kenntnisse waren ihm just an jenem Tag im Sommer 1991 wieder eingefallen, als seine CIA-Betreuer ihm ruppig klar machten, dass er entweder mit wertvollen Informationen aufwarten müsse oder keinen Cent mehr erhalten werde. Er entschied sich für Ersteres und lebt seither im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms in den USA.

Das Zünderfragment: Hocherfreut meldet 1990 der FBI-Laborleiter Thomas Thurman, er habe das in Lockerbie gefundene Fragment eines Bombenzünders identifiziert als Teil eines MST-13-Zünders der Schweizer Firma Mebo, die solche Zünder ausschließlich nach Libyen geliefert habe. Doch später gab Firmenchef Edwin Bollier zu Protokoll, die Zünder auch an die Stasi geliefert zu haben (was ein ehemaliger MfS-Offizier bestätigte), und gab nach Inaugenscheinnahme des Fragments an, es stamme aus einer nicht an Libyen gelieferten Baureihe.

Vor Gericht stellte sich heraus, dass die Fundlisten der Spurensicherung nachträglich verändert wurden, um das Kleidungsstück mit dem eingebrannten Zünderfragment einzufügen, und ungeklärt bleibt, wann und wo genau es aufgetaucht ist. FBI-Forensiker Thomas Thurman, dessen Untersuchung dieses so eindeutig scheinende Beweisstück erbracht hatte, wurde von der Staatsanwaltschaft nicht als Zeuge geladen: Denn er ist wegen Fälschung von Beweismitteln in mindestens drei anderen spektakulären Kriminalfällen vom FBI gefeuert und verurteilt worden. Seine Lockerbie-Untersuchung wurde allerdings nicht wieder aufgerollt.

Der Augenzeuge: Anhand von Schmauchspuren fanden die Ermittler heraus, dass die Bombe in Kleidungsstücke aus Malta eingewickelt gewesen war, fanden zunächst die Firma und schließlich auch den Laden, der die Sachen verkauft hatte. Dessen Besitzer, Tony Gauci, sagte vor Gericht aus, er erkenne Megrahi als den Käufer wieder – nachdem er in den Jahren zuvor bei 18 Vernehmungen weder den Zeitpunkt des Kaufes noch den Käufer eindeutig hatte identifizieren können.

CHRISTOPH REUTER