Gemetzelt statt geschnetzelt

BERLIN taz/afp ■ Die Bundesregierung will in den kommenden fünf Monaten bis zu 400.000 Rinder aufkaufen und vernichten lassen. Das hat gestern das Kabinett in Berlin beschlossen. Damit beteiligt sich Deutschland an der umstrittenen EU-Aktion, um den zusammengebrochenen Rindfleischmarkt zu entlasten. Europaweit sollen bis zu 2 Millionen Tiere getötet werden.

Das Landwirtschaftsministerium sprach von einem Angebot an die Landwirte. Sie könnten sich freiwillig beteiligen und würden pro Rind etwa 1.000 Mark erhalten. Das entspricht rund zwei Drittel des Marktpreises, der vor der BSE-Krise gezahlt wurde. Da die Ställe voll sind, rechnet der Bauernverband mit einer hohen Beteiligung. Die Kosten für die Maßnahme beziffert das Landwirtschaftsministerium auf rund 362 Millionen Mark. Zusätzlich zur Entschädigung könnten Bauern Sonderkredite bei der Landwirtschaftlichen Rentenbank beantragen.

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, begrüßte den Kabinettsbeschluss. „Jetzt kann sowohl im Sinne des Tierschutzes als auch der Marktentlastung gehandelt werden.“ Tierschützer sahen das gestern aber anders. „Aus marktpolitischen Gründen wird hier die Ethik preisgegeben“, kritisierte der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Wolfgang Apel. Sein Verband plädiert für eine langfristige Verwertung des Fleisches der gesunden Tiere.

Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) teilt die Bedenken Apels, stimmte gestern aber trotzdem für die Massenvernichtung. Sie habe alle Alternativen geprüft. Volle Ställe, Platzmangel und Fütterungsengpässe könnten ebenfalls zu Tierschutzproblemen führen, sagte eine Sprecherin ihres Ministeriums gestern.

Inzwischen haben sich nach dem Verbot des Verfütterns von Tiermehl umfangreich Altbestände angesammelt. Nach Angaben der Bundesländer handelt es sich um rund 181.000 Tonnen, die entsorgt werden müssen. Der Bund will nach eigenen Angaben ein Drittel der auf 570 Millionen Mark geschätzten Gesamtkosten tragen, den Rest sollen sich Länder und Wirtschaft teilen. RAG

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