SPD dreht Musical den Hahn zu

■ Die SPD-Fraktion will Nachfolge-Produktion „Hair“ nicht mehr fördern. Der Musical-General Meyer-Brede will am Richtweg wechselnde Stücke abspielen

Der Musical-Generalbevollmächtigte René Meyer-Brede wollte gestern „einen guten Tag für das Musical-Theater Bremen“ verkünden. Doch die SPD-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft machte dem vermeintlichen Sanierer von „Jekyll & Hyde“ im Verlauf des Tages einen Strich durch die Rechnung. Dem Vernehmen nach mit „äußerster Verärgerung“ beschäftigte sich die stärkste Bürgerschaftsfraktion gestern bei einer Klausurtagung in Potsdam mit den jüngsten Entwicklungen im Theater am Richtweg und fasste einen umfangreichen Beschluss.

Wie zuvor schon die oppositionellen Bündnisgrünen lehnt es die SPD-Fraktion ab, „weitere zusätzliche Mittel aus öffentlichen Kassen zur Förderung einer künftigen Produktion zu bewilligen“. Außerdem bestehen die SozialdemokratInnen auf „schonungsloser Aufklärung über das Scheitern des Rettungskonzepts“ und „detaillierten Angaben über den Verbleib der rund zwölf Millionen Mark Rettungsbeihilfen“. Schließlich fordern sie den Senat auf, am kommenden Dienstag noch nicht, wie geplant, endgültig über den Verkauf der Mehrheitsanteile des Ticket Service Centers (TSC) an den Bremer Verleger und Unternehmer Klaus-Peter Schulenberg (KPS-Gruppe) zu entscheiden.

Dabei glauben die Verantwortlichen am Richtweg, den Weg in die Zukunft des Musical-Theaters schon zu kennen. Durch die Kooperation mit den Vereinigten Bühnen Wien, die ab September das Musical „Jekyll & Hyde“ im Tausch für ihre Einstudierung von „Hair“ übernehmen, sei der Sanierungsauftrag des Senats erfüllt, betonte der Generalbevollmächtigte Meyer-Brede. Mit Klaus-Peter Schulenbergs KPS-Gruppe sei ein privater Investor und ein Partner für eine neue Gesellschaft gefunden, fuhr er fort. Und am liebsten hätte Meyer-Brede noch stundenlang weiter geschwärmt. Denn dann hätte er keine Fragen beantworten müssen.

Doch Fragen lässt der Bremer Statthalter von Michael Arend, dem Immobilienunternehmer und Eigentümer des schmucken Theatergebäudes am Richtweg, am liebsten offen. Zum Beispiel: Wo sind die acht Millionen Mark oder, wie die Grünen ausgerechnet haben, inklusive Zinsen sogar fast 13 Millionen Mark hin, die Bremen dem Musical erst im Oktober als Sanierungshilfe gewährt hat? Warum ist das Geld, das dem Musical nach allen offiziellen Informationen Liquidität bis Ende 2001 verschaffen sollte, schon verbraucht? Oder: Wie viel Geld muss die Stadt zur Produktion beitragen? Oder bloß: Wie hoch war die Auslastung in den letzten Monaten?

René Meyer-Brede antwortet nicht. Er redet. Und hat damit das Talent, selbst die wohlwollensten JournalistInnen zu verärgern. Erst auf dreifaches Nachfragen gibt Meyer-Brede die Dezemberauslastung mit 60 bis 62 Prozent an und spricht von einem „sehr, sehr guten Monat“. Doch irgendwann wird es selbst dem neben ihm sitzenden Michael Arend zu bunt: „Auch der wahnsinnig gute Dezember war nicht kostendeckend“, sagt der. Und er ergänzt: Es sei richtig, dass „Jekyll & Hyde“ ohne die neue Kooperation und ohne Steigerung der Besucherzahlen nicht bis Ende 2001 hätte spielen können und möglicherweise schon im März Schluss gewesen wäre. „Deshalb haben wir gesagt: Wir machen einen Cut.“

Und was für einen. Am 30. Juni 2001 ist für die über 22 Millionen Mark teure Produktion nach voraussichtlich 952 Aufführungen in gut 26 Monaten in Bremen Schluss. Knapp 584.000 Menschen haben die Show in den letzten beiden Jahren gesehen. Doch mit den 99-Mark-Angeboten und zahlreichen anderen Ermäßigungen musste das Theater die Preise so weit reduzieren, dass offenbar nicht mal die relativ hohe Dezemberauslastung reichte. Deshalb haben sich Meyer-Brede und Co. Gedanken über den Markt gemacht. „Die Laufzeiten von Musicals werden grundsätzlich kürzer“, lautet die wichtigste Erkenntnis. Und Rudi Klausnitzer, Intendant der subventionierten Vereinigten Bühnen in Wien, ergänzt: „,Jekyll & Hyde' ist eigentlich für einen viel größeren Markt als Bremen geeignet.“ Über die Produktionskosten von „Hair“ schweigen sich die Beteiligten zwar aus, aber sie werden niedriger sein. Das Fazit der Marktbeobachtung: Nicht so teure Stücke, öfter mal was Neues. „Hair“ ist folglich für zunächst zehn Monate angesetzt.

„Das hat das Theater nicht verdient“, sagt Lutz Jarosch, einer der beiden „Jekyll & Hyde“-Produzenten der ersten Stunde. Der Mit-Gesellschafter und mit Arend sowie Meyer-Brede tief zerstrittene Jarosch kritisiert die Konzentration auf den regionalen Markt. „Mit ,Hair' machen Sie dem Theater am Goetheplatz Konkurrenz.“ Um BesucherInnen nach Bremen zu locken, müsse man schon mehr bieten als die Neueinstudierung eines Klassikers. Spitzenpreise von 150 Mark pro Karte könne man dafür nicht verlangen. Doch die hat auch „Jekyll & Hyde“ kaum erzielt.

Meyer-Brede und Klaus-Peter Schulenberg denken in Sachen Musical-Theater ans regionale Geschäft und sprechen von Marketing im 150-Kilometer-Umkreis. Tages- und Abendbesucher also.

Und die Schulden aus der offiziell als Darlehen deklarierten Sanierungshilfe? „Die neue Gesellschaft,“ sagte Mitgesellschafter Michael Arend, „wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn sie die Schulden von der alten übernehmen würde, so es welche gibt.“

Christoph Köster