Votum gegen Präsident Wahid

Das indonesische Parlament billigt mit großer Mehrheit den Untersuchungsbericht in der Korruptionsaffäre

PEKING taz ■ Zur Zeit der Suharto-Diktatur, die vor knapp drei Jahren endete, wäre dies undenkbar gewesen: Während Tausende gestern vor dem Parlamentsgebäude in der indonesischen Hauptstadt Jakarta friedlich gegen Korruption und Rechtlosigkeit demonstrierten, billigten die Abgeordneten drinnen mit überwältigender Mehrheit einen Untersuchungsbericht, der Präsident Abdurrahman Wahid finanzielle Unregelmäßigkeiten und Amtsmissbrauch vorwirft. Wahid ist der erste demokratisch gewählte Regierungschef des Landes.

Welche Folgen die Entscheidung für die krisengeschüttelte Regierung hat, wird sich erst in den nächsten Tagen herausstellen: Ab heute wollen die Parlamentarier darüber debattieren, ob sie dem Präsidenten eine formale Rüge erteilen. Dies wäre der Schritt auf dem langen und bislang unbeschrittenen Weg zu einer Amtsenthebung.

Der Präsident müsste in diesem Fall Rechenschaft über sein Verhalten in beiden Korruptionsaffären ablegen. Weigert er sich, könnten die Parlamentarier den Fall der Beratenden Volksversammlung, dem höchsten Verfassungsorgan des Staates übergeben, die ihn dann womöglich absetzt.

Der Anfang der Woche vorgelegte Bericht beschuldigte den 61-jährigen Präsidenten, er habe „wahrscheinlich“ eine Rolle beim Diebstahl von knapp acht Millionen Mark gespielt, die sich sein früherer Geschäftspartner und Masseur in seinem Namen von der staatlichen Lebensmittelbehörde „Bulog“ („Buloggate“) auszahlen ließ. Im Fall der Vier-Millionen-Mark-Spende des Sultans von Brunei ( „Bruneigate“), die irgendwo versickert ist, soll Wahid die Öffentlichkeit belogen haben.

Allerdings halten es viele Politiker in Jakarta für unwahrscheinlich, dass sich Präsident Wahid persönlich bereichert hat. Zum Verhängnis kann ihm aber seine alte Gewohnheit werden, politische Aktivitäten aus der Portokasse zu finanzieren, ohne lange nach der Herkunft des Geldes zu fragen.

Das Votum des Parlaments ist ein schwerer Schlag für Wahid, dessen Position arg angeschlagen ist und der es nun noch schwerer haben wird, die Wirtschaft zu stabilisieren und ausländische Investoren anzulocken. Er stritt in einer TV-Ansprache jegliche Schuld ab: Alle Vorwürfe seien „absolut nicht wahr“, erklärte Wahid: „Ich habe mit alldem überhaupt nichts zu tun.“ Der Untersuchungsbericht, erklärte der Präsident, sei zudem nicht rechtmäßig zustande gekommen.

Die acht Parteien im indonesischen Parlament, die sonst heftig zerstritten sind, zeigten gestern eine ungewohnte Einigkeit. 395 Abgeordnete stimmten gegen Wahid, nur vier für ihn. Die PKB-Partei Wahids war vor dem Votum beleidigt aus dem Saal gezogen. Das Militär, das eine eigene Fraktion von 38 Offizieren stellt, schloss sich der Mehrheit an. JUTTA LIETSCH