Konservatoriums-Klezmer

■ Nichts für Emma Goldman: Das Trio „Kroke“ in der Fabrik

Emma Goldman hätte sich sicherlich andere Klezmer-Platten gekauft, denn wenn man zu etwas nicht tanzen konnte, dann war das eben nicht ihre Sache. Aber Emma Goldman war eine amerikanische Anarchistin, und Kroke sind Absolventen des Krakauer Konservatoriums. Und das heißt ja nicht umsonst so.

Außerdem sind Kroke, neben den ungarischen Muszikàs, die prominentesten Vertreter der osteuropäischen Variante des Klezmer-Revivals, die auffällig historisierend und akademisch daherkommt. Seit 1992 sorgt die Band im Café Ariel für den musikalischen Abschluss der Stadtführungen durch Kazimierz, Krakaus ehemaliges jüdisches Ghetto. Dort hat sie auch Steven Spielberg gehört, für sie ein Konzert in Jerusalem organisiert und sie natürlich mit der Musik zu Schindlers Liste beauftragt. Ein Ereignis, das ihnen nicht nur so etwas wie internationalen Star-Status bescherte, sondern auch ihre weitere Arbeitsweise entscheidend prägte.

Angefangen hatte das Trio mit einer kammermusikalischen, durch das klassische Musizieren geprägten Version der traditionellen jüdischen Tanzmusik, wobei sie damals bereits auf die sonst oft so charakteristische Klarinette verzichteten. Die abgespeckte Besetzung mit Geige, Kontrabass und Akkordeon nutzen Kroke seit Schindlers Liste, um ausladende, getragene Kombinationen aus Eigenkompositionen und traditionellen Melodien zu schaffen, die ziemlich gewichtig und vergleichsweise dunkel daherkommen. Bei aller Bewahrer-Geste, mit der sich die Band umgibt, scheint dabei deutlich ein Wille zur – ja, man muss hier dieses Wort benutzen – Weltmusik durch.

Der erklärte Wunsch, die jüdische Prägung Krakaus, dessen jiddischer Name der Band den Namen gab und die vor der Shoah zu einem Drittel von Juden bewohnt war, wieder sichtbar zu machen, trifft hier auf eine akademische Ensemblespielweise. Ein Ergebnis der Kombination dieser Voraussetzungen mit der vielleicht von Spielberg inspirierten Sehnsucht nach allgemeingültigen, konsensfähigen Standpunkten ist die letzte CD der Band, The Sounds of the Vanishing World. Wie der Beipackzettel verrät, soll hier kein rückwärtsgewandter Blick, sondern eine Perspektive auf „die wirklich wichtigen Dinge im Leben“ entwickelt werden. Vermittelt wird das unter anderem über die Titel von Stücken wie „Earth“, „Air“, „Time“ oder „Fire“.

Ganz abschrecken lassen muss man sich dabei von solcherlei Wischi-Waschi aber nicht. Als äußerst tightes und streckenweise auch ziemlich cleveres Ensemble könnten Kroke live durchaus gefallen. Und interessant sind sie schon allein als eine Art Gegenentwurf zur amerikanischen Variante des Revivals, wo man sich gerne auf den Funk und die Manie dieser Musik konzentriert. Tanzen kann man zu Kroke eben eher weniger, aber es geht ja auch sonst fast nie nach Emma Goldman.

Georg Felix Harsch

Sonntag, 21 Uhr, Fabrik