Der große Plan

Ohne Radfernwege gibt es keinen Fahrradtourismus. MeckPomm und Brandenburg schreiten zur Eröffnung, in Berlin fehlt das Geld

von TILMAN VON ROHDEN

Nach einer internationalen Vergleichsstudie aus dem Jahr 1999 über die Fahrradnutzung legt jeder Deutsche pro Jahr 300 Kilometer mit dem Rad zurück. Die Dänen bringen es auf 958 Jahreskilometer pro Einwohner und die Niederländer auf 1.019 Kilometer. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) fordert deshalb unter anderem den Ausbau des Radfernwegenetzes.

Der Berliner Landesverband forderte Ende März Wirtschaftssenator Branoner auf, in den Jahren 2002 bis 2004 auch für die Hauptstadt genügend Förder- und Komplementärmittel zur Verfügung zu stellen. „Bislang gibt es keinerlei Finanzierung und Planung zum Ausbau des Berliner Abschittes des Radfernweges Berlin–Kopenhagen“, kritisiert der ADFC-Landesvorsitzende Michael Föge. Dagegen sei die offizielle Eröffnung der Abschnitte in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Dänemark bereits für Ende April geplant. Die vom ADFC geforderten Mittel sollen auch für den seit November 2000 im Bau befindlichen Radfernweg Berlin–Usedom, den in Berlin ausgeschilderten, aber nicht ausgebauten Europaradweg R1 sowie den noch vorhandenen Mauerradweg verwendet werden.

Wie die Zukunft aussehen könnte, lässt sich im Münsterland ablesen. Dort hatten sich in der Vergangenheit viele Nutzer über unübersichtliche Beschilderungen und schlecht gebaute Wege beschwert. Die Münsterländer entschlossen sich deshalb, ein hochwertiges Routen- und Wegweisungssystem aufzubauen. Es geht noch in diesem Jahr in Betrieb. Dieses Engagement ist nicht zufällig, denn dort gehen nach Angaben des ADFC ein Drittel aller Übernachtungen und rund 6.000 Arbeitsplätze auf das Konto des Radtourismus.

Auch andernorts blühen zarte Pflänzchen. Zwar wird in diesem Jahr mit dem Nordseeküstenradweg das erste Teilstück eines europäischen Radfernwegenetzes in Betrieb gehen. Doch andere Radrouten, die in den kommenden Jahren auch in Deutschland als Teilstücke europäischer Radrouten etabliert werden sollen, entsprechen laut ADFC noch längst nicht den Standards. Der ADFC kritisiert, dass in Deutschland nur wenige Bundesländer Ansprechpartner für den touristischen Fahrradverkehr benannt haben. Das bundsweite Engagement fehlt bislang weit gehend.

Abhilfe schaffen könnte eine bundesweite Koordinierungsstelle, die ein bundesweites Radfernwegenetz nach einheitlichen Qualitätskriterien zu entwickeln hätte. Die Idee ist nicht ganz neu: Europäische Nachbarn wie die Niederlande, Dänemark, Österreich, Großbritannien und die Schweiz verfügen bereits über nationale Koordinierungsstellen für den Radtourismus und umwerben auch deutsche Kunden mit qualitativ hochwertigen Angeboten. Die Koordinierungsstelle würde sich, so der Wunsch des ADFC, in einen Nationalen Radverkehrsplan einfügen.

Dahinter steht die in Jahrzehnten gewonnene Einsicht, dass nur wer das Radfahren als System begreift, mehr Menschen dazu motivieren kann, das Rad wieder zu entdecken und häufiger als bisher zu nutzen. Eine Orientierungsmarke für den Nationalen Radverkehrsplan wäre der niederländische Masterplan Fiets. Festgeschrieben werden sollte nach Meinung des ADFC, den Radverkehrsanteil durch eine gezielte Förderung innerhalb von acht Jahren auf mehr als 25 Prozent zu steigern. Derzeit liegt er bei rund 12 Prozent.

Bei einer solchen Erhöhung würden die Umweltkosten, nicht zuletzt durch Einsparungen beim Kohlendioxid, bis zum Jahr 2010 um bis zu 7 Milliarden Mark sinken. Diese Angaben beruhen auf Schätzungen des Umweltbundesamtes. Der ADFC fordert, jährlich 1,5 Milliarden Mark für das Verkehrsmittel Fahrrad aufzuwenden. Denn der Plan erfordert die Umschichtung und Verwendung vorhandener Mittel für den Radverkehr. Bei kommunalen Landesverkehrshaushalten sollen jährlich 3 Prozent für den Radverkehr verwendet werden. Ein Nationaler Radverkehrsplan würde auch eine politische Zusammenarbeit auf allen Ebenen erfordern.