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Jeans sind eine Einstellung

Kathi-Mehl, Klappfix, Tempo-Linsen: Wer sich mit der Geschichte und den Markennamen der DDR auskennt, konnte bei Dussmann viel gewinnen. Zum Beispiel Kalender mit Kochrezepten

von KIRSTEN KÜPPERS

Kennen Sie Tempo-Linsen? Kathi-Tortenmehl? Oder Abendgrußtee? Die Produktpalette der DDR war vielfältig, und manche ihrer Waren trugen schöne Namen. Damals sollte die Bezeichnung der Erzeugnisse aus den staatlichen Produktionsbetrieben stets den Regeln der Knappheit und Funktionalität genügen. Der Schönfärberei kapitalistischer Warenwelten galt es schließlich mit nüchterner Klarheit entgegenzutreten. Dennoch musste die Benennung der Artikel ebenfalls klangvoll sein, gleichsam eine aufmerksame Empfehlung für geduldige Arbeiterfamilien. Und nicht selten gelang den volkseigenen Fabriken dieser Auftrag auch. Die freundliche Wortschöpfung „Klappfix“ für einen Campinganhänger jedenfalls lässt fast keine Frage nach einem besseren Leben in einem anderen System mehr offen.

Inzwischen ist diese Politik der Warenkennzeichnung zusehends in Vergessenheit geraten. In den Geschäften sind Tempo-Linsen längst nicht mehr erhältlich. Und wer sich an heitere sozialistische Produktnamen erinnert, gilt bei vielen Menschen als gedankenloser DDR-Nostalgiker. Doch das Speichern von Alltagswissen lohnt sich bisweilen doch noch. Denn wer sich den Klappfix gemerkt hatte, konnte am Donnerstagabend im Kulturkaufhaus Dussmann wenigstens einen Kalender mit Backrezepten gewinnen. Die Radio-Eins-Moderatoren Volker Wieprecht und Robert Skupin veranstalteten dort ein DDR-Quiz. Hereinschlendernde und Bücher kaufende Kunden mussten dabei Fragen zu so schillernden Themenfeldern wie „Welt der Abkürzungen und Markennamen“, „Stürmt die Höhen der Kultur“ oder „Körperertüchtigung zwischen Elbe und Oder“ richtig beantworten. Zu gewinnen gab es dann ebenjene Backrezeptekalender, manchmal auch Kochbücher oder schwarze Stoffmützen.

So reichten denn die unterschiedlichen Vergangenheitsschnipsel des Ostens immerhin für ein entspanntes Ratespiel. Die 19-jährige Charlotte Hempel erinnerte sich daran, dass das Kürzel „MMM“ für die „Messe der Meister von Morgen“ stand, eine Art Erfinderschau, ähnlich dem westdeutschen „Jugend forscht“-Programm. Eine blonde Frau im rosa Pullover entsann sich der „Perlodent“-Zahncreme. Die Pulloverträgerin stammte aus Sachsen und wusste auch noch, dass die Baumwollspinnerei Wulfen der größte Frauenbetrieb der DDR war. Und ein junges Mädchen mit sehr hohen Schuhen stellte für einen Dussmann-Buchpreis pantomimisch den Songtitel „Alt wie ein Baum“ nach.

Manchmal waren auch die Westdeutschen beim Raten schneller. Aus einem bärtigen Herrn schnellte überraschend flink der Buchtitel „Die neuen Leiden des jungen W.“ heraus. So viel konservierte Jugendkultur hätten viele im Publikum dem älteren Mann gar nicht zugetraut. Gefragt worden war nach dem literarischen Ursprung des Satzes: „Jeans sind eine Einstellung und keine Hose.“

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