Zelle kontra Batterie

Die Automobilkonzerne sind überzeugt, dass Wasserstoff langfristig die Vormachtstellung von Benzin und Diesel durchbrechen wird. Bleiben Elektroauto und Batterie dabei womöglich auf der Strecke?

Selten zuvor hat in so kurzer Zeit eine neue Technik bei der Energieversorgung für so viele Schlagzeilen gesorgt. Fast täglich gibt es Meldungen über die Brennstoffzellennutzung. Allein die Autoindustrie will bis zum Jahr 2010 rund zehn Milliarden Mark in diese Technologie investieren.

BMW reist derzeit mit zehn Wasserstofffahrzeugen im Rahmen der CleanEnergy WorldTour 2001 um den Globus. Seit Mai 2000 haben die BMW 750 hL über 100.000 Kilometer ohne Probleme zurückgelegt. Noch in diesem Jahr wird DaimlerChrysler die ersten Transporter mit Brennstoffzellen ausliefern. Während eines zweijährigen Praxiseinsatzes sollen sie ihre Alltagstauglichkeit beweisen. In der Automobilbranche haben sich bislang zwei große Allianzen zusammengefunden. Auf der einen Seite sind dies DaimlerChrysler und Ford, die seit 1998 mit dem kanadischen Brennstoffzellenspezialisten Ballard zusammenarbeiten. Ihre Konkurrenz ist eine Allianz aus GM und Toyota.

„Die Brennstoffzelle hat einen deutlich höheren Wirkungsgrad als der Verbrennungsmotor. Sie nutzt die Energie des Kraftstoffs effektiver“, meint Ferdinand Panik, Leiter des Brennstoffzellenprojekts bei DaimlerChrysler. Rund 2 Milliarden Mark wird DaimlerChrysler in die Entwicklung des neuen Antriebs investieren. 2004 sollen die ersten „Necar“-Fahrzeuge auf Methanolbasis vom Band laufen. „Ab 2010 werden wir wettbewerbsfähig sein“, hofft der Experte.

Mitarbeiter des Berliner Umweltbundesamtes (UBA) sind längst nicht so euphorisch wie der Daimler-Forscher. Sie bezweifeln den ökologischen Nutzen der neuen Antriebstechnik. Aus Sicht des Umweltschutzes sei der „Einsatz von Wasserstoff im Verkehr aufgrund der hohen Energieverluste bei der Herstellung und der Aufbereitung des Energieträgers nicht zu befürworten“, heißt es in einem bereits Mitte 1999 veröffentlichten Papier. Die Energie- und Umweltbilanz der kostspieligen Zellentechnologie wäre erst dann gut, wenn diese einen um mindestens 30 bis 35 Prozent höheren Wirkungsgrad im Vergleich zu herkömmlichen Ottomotoren hätte. Solange der Wasserstoff aus fossilen Primärenergien wie Erdgas oder Erdöl gewonnen wird, sei kein echter Vorteil der Brennstoffzelle gegenüber konventionellen Benzin- oder Dieselantrieben zu erkennen. So lautet jedenfalls die Bilanz zahlreicher Studien und Veröffentlichungen, die am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart erstellt worden sind. „Das Brennstoffzellen-Auto bringt nur etwas, wenn es mit Wasserstoff aus erneuerbaren Energien wie Wind und Biomasse betrieben wird“, ist sich DLR-Forscher Martin Pehnt sicher. Dafür aber gibt es derzeit noch keine technische Infrastruktur, und zudem wäre Wasserstoff aus Öko-Energiequellen heute bis zu zehnmal teurer als unversteuertes Benzin. Auch die Position des UBA ist eindeutig: Während die Industrie – allen voran die Automobilbauer – die Brennstoffzellentechnik weiterentwickelt, halten die Bundesumweltschützer am Dreiliterauto fest. „Durch kleinvolumige Fahrzeuge kann man den Treibstoffverbrauch glatt halbieren“, meint UBA-Mitarbeiter Reinhard Kolke.

Ganz unter die Räder der aktuellen Debatte über die Chancen der Brennstoffzellentechnologie im Automobilbau ist das Konzept der Elektroautos gekommen. Dabei sieht die Ökobilanz gar nicht mal schlecht aus. Am DLR-Institut in Stuttgart hat Constantin Carpetis brennstoffzellenbetriebene Fahrzeuge mit Methanol-Reformer und Elektro-Pkws miteinander verglichen. Ergebnis: Batterieautos schneiden besser ab, wenn ihre Akkus unmittelbar aus regenerativ erzeugten Stromquellen aufgeladen werden. Der Nachteil vieler Elektrofahrzeuge der ersten Generation wie Hotzenblitz oder City-Jet bestand in der geringen Reichweite. Die Nickel-Cadmium-Akkus reichten im Regelfall nur für 90 bis 100 gefahrene Kilometer, die Höchstgeschwindigkeiten lag bei rund 80 bis 100 Stundenkilometern. Aber das ist eigentlich kein Problem. „Drei Viertel aller Pkw-Fahrten machen allein in Deutschland im Schnitt weniger als 50 Kilometer aus“, weiß Karl Nestmeier, Chef des Herstellers CityCom AG. Der Kleinstwagen CityEl soll in den nächsten Jahren eine ausbaufähige Nische zwischen Motorroller und Zweitwagen füllen.

Von den großen Automobilbauern engagieren sich im Elektrofahrzeuggeschäft nur noch Citroën, Peugot, Nissan und Ford. Den technischen Durchbruch für das in den Schlagzeilen kaum noch auftauchende E-Mobil erhoffen sich alle vier Hersteller von einer neuen Akkumulatorengeneration: Der Lithium-Ionen-Akku soll eine Art Kompressor für die Batteriefahrzeuge werden. „Mit den neuen Lithium-Hochleistungsakkus haben Elektroautos als Stadtfahrzeuge durchaus gute Chancen“, meint Ford-Sprecher Isfried Hennen.

Letztlich aber ist für den Kauf eines neuen Pkw in erster Linie der Preis entscheidend. Und dass die Verbraucher bereit sind, für ein E-Mobil bis zu 30 Prozent mehr zu bezahlen, wird von vielen Branchenkennern bezweifelt. Klar ist, dass die Brennstoffzellentechnik im Vergleich zum E-Mobil die Nase vorn hat. Der Grund: Viele Hersteller von Batteriefahrzeugen sind Mittelständler. Sie haben mangels Kapital kaum eine echte Chance, gegen die Forschungsetats der Automobilkonzerne anzutreten.

MICHAEL FRANKEN