Heimlicher Boykott

Greenpeace benennt Klimaschutzgegner der US-Industrie. Konsequenzen soll jeder Verbraucher selbst ziehen

BERLIN taz ■ Greenpeace ruft zum Boykott auf – aber sagt es nicht. „Die Zentrale in Amsterdam hat lediglich eine Aktion gestartet“, beschwichtigt Deutschlandsprecher Karsten Smid. Seit Donnerstag benennt die Umweltschutzorganisation auf ihrer Internetseite große US-amerikanische Unternehmen, die eine Reduzierung des Treibhausgases Kohlendioxid ablehnen und US-Präsident George W. Bush in seiner Klimapolitik unterstützen.

Die dazugehörige Erklärung spricht eine deutliche Sprache: „Wir werden die Öffentlichkeit über die klimapolitischen Ansichten der US-Industrie informieren, damit der Verbraucher entscheiden kann, wem er sein Geld gibt. Die Amerikaner können an der Urne wählen, aber der Rest der Welt kann und wird über die Märkte abstimmen.“ Die Direktoren der Konzerne müssten überlegen, ob ihnen ihre Käufer oder George W. Bush wichtiger seien. Als Hauptziele der Kampagne nennt Greenpeace die Öl-Multis Exxon Mobil, Chevron, Texaco, Conoco und Phillips.

Trotz der namentlichen Nennung wagt Greenpeace weniger als die erste Weltkonferenz der Grünen Parteien. Diese hatte Mitte April im australischen Canberra offen zu einem Boykott von US-Ölkonzernen aufgerufen – obgleich die deutsche Delegation nach ihrer Rückkehr nichts mehr davon wissen wollte.

Greenpeace ist auch aus juristischen Gründen vorsichtig. Denn ein offizieller Aufruf zum Boykott könnte massive Schadensersatzklagen nach sich ziehen. Schon bei der Aktion gegen die Versenkung der Ölplattform Brent Spar waren es zunächst nicht Greenpeace-Aktivisten, sondern kleine Umweltgruppen, die den Verbraucher aufforderten, nicht mehr bei Shell zu tanken. Der deutschen Greenpeace-Gruppe, die weltweit die meisten Mitglieder hat, sind juristisch heikle Aktionen derzeit ohnehin unlieb. Seit den Castor-Protesten drohen die CDU-Innenminister damit, den Umweltschützern die Gemeinnützigkeit zu entziehen.

Bei einem offenen Boykottaufruf müsse sich die Organisation außerdem am Erfolg der Aktion messen lassen, heißt es von Greenpeace. Und im Gegensatz zu den Aktionen gegen Shell sei diesmal die Handlungsalternative für die Konzerne nicht ganz klar. Denn unterschreiben müsste das Klimaschutzprotokoll immer noch Bush und nicht die Industrie. Deswegen hoffen die Aktivisten, dass bei Nennung von Bushs Förderern jeder Verbraucher selbst weiß, was er zu tun hat. Bei Esso, dem deutschen Ableger von Exxon Mobil, gibt man sich betont gelassen. „Ob der Verbraucher von sich aus boykottiert, ist reine Spekulation“, so Sprecher Olaf Martins.

Doch ganz vom Tisch ist ein offizieller Greenpeace-Aufruf noch nicht. Aus den Führungskreisen heißt es: „Die Entscheidung für vorsichtige Aktionen ist vorläufig.“ RALF GEISSLER

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