Cissé darf nicht rein

Der senegalesischen Menschenrechtlerin Madjiguène Cissé wird die Einreise nach Deutschland verweigert. In Frankreich ist man empört

von DOROTHEA HAHN
und BERND PICKERT

Madjiguène Cissé, die bekannte Menschenrechtlerin aus dem Senegal, darf nicht nach Deutschland einreisen. Die zwischen 1996 und 2000 als Sprecherin der französischen „Sans Papiers“ bekannt gewordene Aktivistin erfuhr am vergangenen Mittwoch, dass sie am 22. Mai vergangenen Jahres mit unbefristeter Wirkung aus Deutschland ausgewiesen worden sei.

Cissé (48), die im Sommer letzten Jahres freiwillig in den Senegal zurückgekehrt war, hatte bei der Deutschen Botschaft in Dakar ein Visum beantragt, um für 28 Tage die Bundesrepublik zu besuchen. Sie war vom Bildungswerk der Heinrich-Böll-Stiftung, der taz und der Internationalen Liga für Menschenrechte zu zahlreichen Vorträgen und Diskussionsveranstaltungen nach Deutschland eingeladen worden. Heute sollte sie in Berlin im Rahmen des taz-Kongresses „Wie wollen wir leben?“ gemeinsam mit der Grünen-Parteivorsitzenden Claudia Roth auftreten.

Aufgrund der bestehenden Ausweisungsverfügung wurde ihr das Visum verweigert; ein Eilantrag zur Erteilung einer „Betretenserlaubnis“ konnte bislang in Köln nicht bearbeitet werden – erst verschwand das Fax der Botschaft aus Dakar, dann nahte der freitägliche Büroschluss um 12.30 Uhr. Die Ausweisungsverfügung ist damit begründet, dass sich Cissé mehrfach illegal in Deutschland aufgehalten habe.

Cissé selbst zeigte sich im Gespräch mit der taz überrascht über die Ausweisungsverfügung. „Ich erfahre davon zum ersten Mal“, sagte sie in Dakar. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth erklärte gegenüber der taz, das Einreiseverbot zeige, „wie die Mär vom weltoffenen Deutschland an die selbst errichteten Wohlstandsfestungsmauern stößt“.

Im Dezember 1998 erhielt Cissé in Berlin die Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte. Die Laudatio hielt der Journalist Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung. Auf Anfrage der taz erklärte Prantl gestern, das Einreiseverbot für Cissé sei „ein Beispiel für die hirn- und geistlose Anwendung des Ausländerrechts. Ein wunderbares Beispiel auch dafür, wie Ausländerrecht nicht funktionieren darf.“

Auch in Frankreich löste das Einreiseverbot Bestürzung aus. „Albtraumartig“ nennt Salah Teiar die deutsche Entscheidung. Der einstige Papierlose weiß, ohne zu überlegen, dass der Senegalesin damit gleichzeitig das Betreten von fast ganz Westeuropa verwehrt ist – so ist es in den Schengen-Abkommen geregelt. Mitte der 90er-Jahre stritt Teiar an der Seite von Madjiguène Cissé für „Papiere für alle“. „Wir wussten“, sagt er, „dass unsere Radikalität einen Preis haben würde. Das Verbot für Madjiguène ist Teil dieser Rechnung.“

Als „ein schreckliches Zeichen einer beunruhigenden Entwicklung“ bezeichnet der Präsident der französischen Antirassimusorganisation, Mouloud Aounit, die deutsche Entscheidung. Und schränkt sogleich ein, dass er „nicht überrascht“ sei. Denn: „Die Logik der Kriminalisierung hat sich leider in Europa durchgesetzt.“ Dabei, so Aounit, „verstößt eine Entscheidung wie jetzt die gegen Madjiguène gegen grundlegende europäische Werte, wie die Menschenrechte und die Meinungsfreiheit“.

Mitte der 90er-Jahre hat Madjiguène Cissé nicht nur zusammen mit Papierlosen wie Teiar und Menschenrechtlern wie Aounit, sondern auch mit heutigen MinisterInnen und anderen politisch Verantwortlichen demonstriert. Auch die große KPF und die französischen Grünen schmückten sich mit der politisch erfahrenen und charismatischen Frau.

Dann kamen die Parlamentswahlen von 1997 und der unerwartete Sieg der Linken. Als die taz jetzt bei dem Immigrationsbeauftragten der französischen Grünen um ein „dringendes Gespräch“ wegen des deutschen Einreiseverbots für Madjiguène Cissé bat, hatte der einstige „Unterstützer der Papierlosen“ nicht einmal Zeit für einen Rückruf.