Dokumentation
: Bahnhofsvorplatz: Keine Privatsache

■ Offener Brief von Ortsamt und Beirat an Bausenatorin Christine Wischer

Sehr geehrte Frau Senatorin Wischer, wir möchten Sie wegen des möglichen Verkaufs und der Bebauung des Investorengrundstücks am Bahnhofsvorplatz ansprechen. Die Stellungnahme, die Wirtschaftssenator Hattig für den Senat in der Bürgerschaft abgegeben hat, lässt befürchten, dass die Auswahl des Investors allein er Firma Tschibo überlassen wird. Wir hielten das nicht für richtig. Wir meinen, dass Sie als Bausenatorin den Entscheidungsprozess aktiv steuern müssen, um eine angemessene Berücksichtigung der öffentlichen Belange zu gewährleisten.

Wes' Brot ich ess ... des' Haus ich bau?

Zunächst einmal ist es sehr erfreulich, dass sich die Firma Tschibo in zentraler Lage in Bremen niederlassen will. Noch erfreulicher ist es, dass nun durch das Konzept von Walterbau eine Alternative zu dem schon bekannten Konzept von Linnemann/Zech vorliegt. Doch wer wird die Auswahlentscheidung treffen? Nach Auskunft der BIG wird das im wesentlichen die Firma Tschibo sein. Wir bitten Sie: Lassen Sie das nicht zu! Bringen Sie die öffentlichen Belange der Stadt in die Entscheidungsfindung mit ein. Dabei sollten neben der Einhaltung des Bebauungsplans, die architektonische und städtebauliche Qualität, der Kaufpreis, die Gestaltung des öffentlichen Raums, die wirtschaftlichen Effekte und das langfristige Nutzungskonzept maßgeblich sein. Wäre es nicht angemessen, die Firma Tschibo nach Bremen einzuladen, ein Beratungsgremium (besser noch: eine Jury, unter anderem aus ArchitektInnen und StadtplanerInnen) einzuberufen und dann die Auswahl gemeinsam zu treffen? Dadurch würde auch die notwendige Transparenz des Verfahrens hergestellt werden.

Und noch etwas. Nach Lage der Dinge wird kein Entwurf Ausführungsreife haben. Wesentliche Fragen werden zum Zeitpunkt der Entscheidung absehbar noch unklar sein. Die Grandezza eines Modells im Maßstab 1:500 dürfte sich bis zum Endprodukt noch gründlich ändern. Deshalb ist eine kontinuierliche Begleitung bis zur Fertigstellung des Gebäudes im Juni 2003 unabdingbar. Wer anderes als die Bausenatorin könnte das durchsetzen?

Es geht um Bremens Visitenkarte

Das Bauvorhaben entscheidet wesentlich darüber, ob es gelingt, die Entwicklung der Bahnhofsvorstadt ins Positive zu wenden. Seine Architektur wird für lange Zeit das erste sein, was Reisende vom neuen Bremen zu sehen bekommen. Visitenkarte, Stadteingang, Foyer – die Metaphern, mit denen die Bedeutung dieses Gebäudes herausgestrichen wird, verweisen stets auf die öffentliche und gesamtstädtische Bedeutung der Sache. Bei allem Respekt vor Tschibo und dem Investor, der dieses Grundstück erwerben und bebauen will: Die Gestaltung des Gebäudes ist nicht einfach Privatsache. Wenn die Stadt das vorgegebene Tempo akzeptiert, so muss sie ihre Einflussmöglichkeiten dennoch ausschöpfen.

Robert Bücking (Ortsamtsleiter Mitte/Östl. Vorstadt); Ulrike Hiller (Beiratssprecherin Mitte)