Steh-Punkte für alle

Die Telekom bereitet die Einführung telefonloser Telefonsäulen vor

Bislang werden die T-Stelen vom Düsseldorfer Publikum nur verhalten angenommen

Dass die neuen Freilufttelefonsäulen, die die Deutsche Telekom überall im Lande an Stelle der alten Häuschen aufgepflanzt hat, nicht zum öffentlichen Telefonieren da sind, sondern zum Abgewöhnen, vermuteten Fachleute schon seit längerem. Dass sie damit richtig liegen, beweist jetzt ein Modellversuch, den die Telekom in Düsseldorf in aller Stille hat anlaufen lassen. Mit ihm soll ausgelotet werden, welche Akzeptanz in der Bevölkerung für Telefonsäulen ohne Telefon vorhanden ist. Auf einem unscheinbaren Platz in Citynähe wurden die neuartigen, hoch aufragenden Stelen aus Edelstahl disloziert, und zwar in mehreren kreisförmigen Gruppen zu jeweils acht Exemplaren (siehe nebenstehendes Foto).

„Heute hat ohnehin jeder sein eigenes, vorgewärmtes Handy“, erklärt eine Mitarbeiterin aus der Düsseldorfer Zentrale freimütig, „da muss er nicht mehr zu den nasskalten öffentlichen Geräten greifen, gerade bei der derzeitigen Witterung.“ Bei den neuen Stelen, so die Sprecherin, entfalle diese Berührungsangst – einfach, weil man sie gar nicht mehr berühren müsse. Unsern zaghaften Einwand, wozu sie dann überhaupt gut seien, wartet die resolute Enddreißigerin erst gar nicht ab: „Wir möchten damit neue Treffpunkte im urbanen Umfeld schaffen. Hier können Handybesitzer zusammenkommen und in vielfältiger Weise kommunizieren – miteinander, nebeneinander, durcheinander. Aber auch der Nichthandybesitzer ist hier ausdrücklich willkommen. Es geht uns um ein Mehr an direkter Kommunikation von Mensch zu Mensch, an sozialer Tuchfühlung. Denken Sie an die klassische Dorflinde von früher. Zwischenmenschliche Kommunikation ist eine entscheidende Zukunftsressource für den Standort Deutschland.“ Es fallen dann noch Stichworte wie „soziale Skulptur“ (immer wieder gern gebraucht in der Beuys- und Landeshauptstadt), „niedrigschwellige Identifikationsangebote“, „neue Nachhaltigkeit“ und „unkaputtbare Infrastrukturleistungen“.

Bislang werden die neuen T-Stelen vom Düsseldorfer Publikum nur verhalten angenommen. „So etwas braucht eine gewisse Anlaufzeit“, meint unsere Gesprächspartnerin, „warten Sie erst mal, bis das Frühjahr kommt und die Menschen den Reiz des zwanglosen Beisammenstehens und Plauderns entdecken. Ich kann mir auch vorstellen, dass unsere Säulen spontan als Anzeigenbörsen genutzt werden, per Klebezettel – ‚Gesucht‘, ‚Gefunden‘, ‚Entlaufen‘, ‚Handytäschchen zu verschenken‘ und so weiter.“ Ein namhafter Soziologe, der an dem Projekt beteiligt sei, rechne auch damit, dass sich hier fröhliche Tee-Punkte für Alleinerziehende und frühpensionierte Mitbürger aus der Nachbarschaft herausbilden.

Man habe bewusst auf eine aufwendige und aufdringliche Werbekampagne für das neue Stadtmobiliar verzichtet: „Zum einen wollten wir unqualifizierten Spöttern nicht in die Hände arbeiten. Zum andern: Hier soll etwas organisch wachsen, nicht künstlich aufgepfropft werden.“ Im Übrigen befinde man sich wie gesagt noch in der Versuchsphase. „Wenn sie erfolgreich abgeschlossen ist, werden wir zügig mit dem technischen Rückbau der vorhandenen T-Stelen beginnen.“ Über ihre mögliche Zusatznutzung als Werbeträger („Litfaß light“) sei noch nicht entschieden.

Ganz überzeugen konnte das Angebot den Endunterzeichner bei einem ersten Selbstversuch freilich nicht. Zwar war der Mobilfunkempfang im Schatten der markanten Säulenbündel ausgezeichnet, jedoch haperte es mit der sozialskulpturellen Dorflindennachhaltigkeit. Lediglich eine Frau mit Hund gesellte sich kurz hinzu und fragte, ob ich etwas suchte. Der Einfachheit halber verneinte ich. OLAF CLESS