Kein Regen rettet Marat Safin und Familie

Nach Jennifer Capriati holt sich auch der Schwede Thomas Johansson den Titel bei den Australian Open

MELBOURNE taz ■ Weil sein Coach vergessen hatte, den Fahrdienst zu bestellen, fuhr er mit dem Taxi zum Finale; überraschenderweise wusste der Taxifahrer, wen er da chauffierte, und wünschte viel Glück. So bestärkt, gewann der sonst nur leidlich bekannte Thomas Johansson ein paar Stunden später in der Rod Laver Arena souverän den Titel bei den Australian Open mit einem Sieg gegen den Russen Marat Safin (3:6, 6:4, 6:4, 7:6). Es war in jeder Hinsicht ein würdiger Abschluss des Turniers der Überraschungen, und der Letzte, der mit diesem Ende gerechnet hatte, war Johansson selbst.

Der setzt nun im fortgeschrittenen Alter von 26 Jahren die Reihe der schwedischen Grand-Slam-Sieger fort – Björn Borg, Mats Wilander, Stefan Edberg –, und man spürt, dass es kein hohler Spruch ist, wenn er sagt, es sei ihm eine Ehre. Und in gewisser Weise sei es höchste Zeit, denn der letzte der großen Siege (Edbergs Titelgewinn bei den US Open 1992) liege doch schon eine Weile zurück.

Anfang vergangener Woche, als keiner eine Ahnung hatte, was er noch anstellen würde in Melbourne, da hatte er sich darüber beklagt, daheim sei das Interesse am Tennis fast auf dem Nullpunkt gelandet, und diese Klage wiederholte er nach jedem Sieg. Die Gründe für das offensichtliche Desinteresse, erklärte er, seien vielfältiger Natur. Zum einen dominiere der Wintersport, und zum anderen seien die Leute nach den großen Erfolgen der Schweden, vor allem im Davis Cup, auch reichlich verwöhnt.

Aber Thomas Johansson war ehrlich genug, den persönlichen Aspekt der gestörten Beziehung zu erwähnen. „Sehen Sie mich an“, sagte er, „ich bin ja nicht so furchtbar interessant.“ Bei der kleinen Erörterung, was dagegen zu tun sei und ob nicht ein Striptease auf dem Platz wie im vergangenen Jahr vom Franzosen Arnaud Clément helfen könne, meinte er trocken: „Ich werde einen G-String tragen.“

Damit hätte er sich am Tag des Finales zwar nicht wesentlich von einigen der schwedischen Fans unterschieden, die in Kriegsbemalung und Badehose erschienen waren, doch es siegte Johanssons guter Geschmack. Und es siegte auch diesmal eine Spielweise, die äußerst unangenehm ist, weil es nichts gibt, was der Mann nicht kann. Wie sagte er so schön nach dem Spiel: „Ich bin nicht besonders auffällig, aber ich kann spielen.“ Der Schwede war, abgesehen von einem nervösen Beginn, der klar bessere Mann der Partie, und er fand eine Antwort auf alles, was Safin probierte.

Es war nicht so heiß wie am Tag zuvor, als Jennifer Capriati in einem packenden Match gegen die Schweizerin Martina Hingis bei 36 Grad im zweiten Satz schon 0:4 zurücklag, vier Matchbälle abwehrte und dann doch noch mit 4:6, 7:6 (9:7), 6:2 ihren Erfolg vom Vorjahr wiederholte. Es kam Marat Safin auch kein rettender Regen zu Hilfe, wie im Halbfinale gegen Thomas Haas, bei dem er lange wie der sichere Verlierer ausgesehen hatte. Und um sich selbst retten zu können, leistete sich der Favorit zu viele Fehler. Nachdem er zu Beginn des zweiten Satzes zum ersten Mal in Rückstand geraten war, spürte Safin, wie ihm die Dinge entglitten. Und den Glauben an den Sieg hatte er schon lange vor dem letzten Lob aufgegeben, der ein paar Zentimeter hinter der Grundlinie landete.

Aber immerhin gewann er den Preis für den besseren Redner des Tages. Mit einem Blick auf seine Blondies, die sich auch diesmal wieder auf der Tribüne wie auf dem Präsentierteller in Positur gesetzt hatten, fügte er grinsend hinzu: „Vielen Dank auch an meine Familie da drüben“. Riesengelächter im Publikum. Bis die Damen der Familie begriffen, dauerte es ein paar Sekunden, aber dann freuten sie sich auch. Vielleicht waren sie in Gedanken schon bei der Feier mit Marat, der an diesem Tag 22 Jahre alt wurde und der versicherte, selbstverständlich werde er den Anlass trotz der Niederlage gebührend begehen. Angesichts des Preisgeldes – 500.000 Aussie-Dollar für den Verlierer, umgerechnet rund 290.000 Euro – war ein gemütliches Beisammensein mit den blonden Ladys gerade noch drin.

DORIS HENKEL