Schröder rettet diesmal Ammendorf

Aber rettet Ammendorf auch Schröder? SPD-Forum fällt zur Wirtschaftsentwicklung Ostdeutschlands nichts Neues ein

BERLIN taz/dpa ■ Der Bundeskanzler entdeckt die ostdeutsche Diaspora: In Berlin traf sich Gerhard Schröder gestern mit dem Konzernvorstand des kanadischen Schienenfahrzeugherstellers Bombardier, um erneut über die Niederlassung in Sachsen-Anhalt zu verhandeln. Warum auch nicht: Schlagzeilen wie „Schröder rettet Holzmann“ halfen dem Kanzler schon einmal aus der Bredouille. Entsprechend „zuversichtlich“ gab sich der Kanzler am Samstag auf dem Landesparteitag der SPD Sachsen-Anhalt: Dies werde ein Abschlussgespräch sein, nach dem der Erhalt des Halleschen Standorts mit rund 900 Arbeitsplätzen gesichert sei.

Auch das „Forum Ostdeutschland“ der SPD – ein Zusammenschluss ostdeutscher Bundes- und Landespolitiker – entdeckte an diesem Wochenende die vordringlichste Aufgabe sozialdemokratischer Arbeit der nächsten Jahre: nämlich die Reindustrialisierung Ostdeutschlands. Auf seiner Tagung in Erfurt erkannte das Forum gar, wie dies zu bewerkstelligen sei – durch künftig stärkere Förderung der Wachstumskerne.

Grundlage dieser Entdeckung ist der Sachverstand, den sich das Forum eingeladen hatte. Jena mit Optik und Biotechnologie, Dresden als Zentrum der Halbleiterindustrie, Leipzig als neuer Standort von Autohersteller – statt des „Gießkannenprinzips“ mit möglichst gleichmäßig verteilten Fördermitteln sollten staatliche Gelder lieber auf die Wachstumszentren konzentriert werden, empfahl Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung. Klaus Zimmermann, Sinns Kollege vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW), formuliert es so: „Wir brauchen ein Bekenntnis zu Wachstumspolen mit Sogwirkung.“ Der Versuch der Politik, schwache Regionen zu stärken, werde scheitern. Und Joachim Ragnitz vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) fordert: „Wir müssen wegkommen vom kleinstaatlichen Denken.“

Zumindest von den düsteren Aussichten wird der Osten auch in diesem Jahr nicht wegkommen. „Nach unserer Prognose ist in Ostdeutschland nur ein minimales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 0,25 Prozent zu erwarten“, sagte ifo-Chef Sinn. Die neuen Länder müssten 2002 mit wirtschaftlicher Stagnation rechnen. Das bedeutet: Die Schere zwischen Ost und West geht weiter auseinander – eine wirtschaftliche Konstante seit Schröders Amtsantritt. Das ifo wird heute den neuen Geschäftsklima-Index vorstellen, und der sieht – wie kaum anders zu erwarten – keine Besserung.

Rüdiger Pohl, Präsident des IWH, machte diese Rechnung mit anderen Konstanten. In n-tv erklärte er, dass es keine schnellen Lösungen bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gibt. Anders als die Bundesregierung – die immerhin 0,75 Prozent Wirschaftswachstum für das Wahljahr prognostiziert – und das ifo, das 0,6 Prozent ermittelte, sieht sein Institut nur ein halbes Prozent, „was aber eine Beschleunigung im zweiten Halbjahr voraussetzt. Momentan sind wir praktisch bei null.“ Für den Arbeitsmarkt heißt dies: Im Wahljahr sind vom Wirtschaftswachstum keine positiven Impulse zu erwarten. Aktionismus bringe im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit wenig. Der Schnellschuss Kombilohn sei „die weiße Salbe im Wahlkampf“.

Entsprechend wichtig scheinen für Kanzler Schröder momentan Rettungsaktionen à la Holzmann. Erleichtert teilte Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye denn auch nach dem Spitzengespräch gestern mit: „Die Zukunft des Bombardier-Standorts Halle-Ammendorf ist gesichert.“ Bombardier sei angesichts der geplanten Investitionen im Bahnbereich zuversichtlich, dass die Auftragslage stabil bleibt, und will den Standort halten – „vorbehaltlich kleinerer Personalanpassungsmaßnah- men“. NICK REIMER