Pupillenzucken kann teuer werden

Schlechte Nachricht für Kiffer: Auch Tage später ist Cannabiskonsum noch im Urin nachzuweisen. Für die Oldenburger Polizei Grund genug für eine verschärfte Kontrolle, die für den längst wieder klaren Fahrer teure Folgen hat. Eine Fallgeschichte

„Sie wissen,warum wirSie noch mal anhalten“Erkennt die Polizei Kiffer am Äußeren? „Nein, heutzutage nicht mehr“

taz ■ „Guten Abend. Allgemeine Verkehrskontrolle.“ Ein junger Oldenburger wird von der Polizei in seinem Fahrzeug am Bahnhofsparkplatz angehalten. Mit einer Taschenlampe leuchten ihm die Polizeibeamten in die Augen. „Die Pupillen ziehen sich zusammen und gehen schnell wieder auf“, so beschreibt der Kommissaranwärter Behrens die Indizien für Cannabiskonsum, die er bei dem Verkehrsteilnehmer beobachtet.

Der Mann wird auf das Revier mitgenommen, muss Urin und Blut abgeben. Die Probe ist positiv. Das muss nicht heißen, dass der Fahrer unter akutem Drogeneinfluss steht, Rückstände des Cannabis-Wirkstoffes THC (Tetrahydrocannabinol) können auch noch Wochen nach dem Konsum im Urin nachgewiesen werden.

Das wissen auch die Beamten. Die genauere Blutprobe wird an ein Labor weitergeleitet, das Ergebnis steht erst später zur Verfügung. Obwohl der Verkehrsteilnehmer angibt, zwei Tage vor Antritt der Fahrt das letzte Mal Cannabis konsumiert zu haben und er auch nach Auskunft von Polizist Behrens keine Ausfallerscheinungen zeigt, wird ihm für den Abend die Fahrtüchtigkeit abgesprochen. Dies sei eine „gefahrenabwehrende Maßnahme“, so die Polizei. Ein Freund muss dannden Wagen nach Hause steuern.

Nach Angaben des Studenten folgt ihnen auf der Fahrt nach Hause ab dem Bahnhof ein Polizeifahrzeug bis vor die Haustür. Hier wird nun auch der Freund überprüft. „Sie wissen, warum wir Sie noch mal anhalten“, sollen die Beamten gesagt haben. Wieder leuchten sie dem Fahrer in die Augen. Wieder scheint es eine Auffälligkeit zu geben, so dass er aufgefordert wird, im nahe liegenden Gebüsch eine Urinprobe abzugeben. Die Überprüften empfinden das als „reine Schikane“.

Bei der Oldenburger Polizei kann man sich nicht vorstellen, dass Kollegen so gehandelt hätten, schließlich sei „das vom Gesetzgeber nicht erlaubt“, so Behrens über den angeblichen Vorgang der zweiten Kontrolle. Hätte ein Verdacht bestanden, dass auch der andere Fahrer Cannabis konsumiert hatte, hätten die Beamten das vor der Fahrt prüfen müssen.

Wochen später erhält der Student einen Brief, in dem er aufgefordert wird, seinen Führerschein für einen Monat abzugeben und ein Bußgeld von 250 Euro plus Gebühren und Anlagen in Höhe von 195,30 Euro zu zahlen. Weiter erhält er die Aufforderung, sich einem Drogenscreening, in diesem Fall einer Haaranalyse und einer Medizinisch-Psychologischen-Untersuchung (MPU), auch „Idioten-Test“ genannt, zu unterziehen. Ein Einspruch wird abgelehnt. Die Kosten für die Untersuchung belaufen sich auf etwa 980 Euro. Kann der Student den Anforderungen der Prüfung nicht entsprechen, ist der Führerschein endgültig weg – das Geld auch.

„Dabei bin ich doch gar nicht berauscht gefahren“’, sagt der Cannabiskonsument und versteht die Welt nicht mehr. Auch wenn der Rausch durch Cannabiskonsum nach Meinung von Wissenschaftlern nur etwa zwei bis vier Stunden anhält und der Kiffer auch nur in dieser Zeit beeinträchtigt ist – nachzuweisen ist der Krautkonsum wochenlang.

Nach deutscher Rechtssprechung riskieren Kiffer ihren Führerschein, auch wenn sie nicht berauscht hinters Lenkrad steigen. Jeder Nachweis von THC im Blut gilt als Nachweis einer akuten Berauschung und somit als Ordnungswidrigkeit. Das Ergebnis des ärztlichen Bluttestes wird an die Führerscheinstelle weitergeleitet, die die MPU anordnet, um die Fahreignung des Konsumenten zu überprüfen. Hier geht es darum festzustellen, ob der Kiffer Konsum und Autofahren trennen kann. Nicht öfter als zwei- bis viermal im Monat darf konsumiert werden. Außerdem wird „Selbstsicherheit“ getestet. Psychologen sollen feststellen ob der Klient psychisch stark genug ist, einem etwaigen Gruppendruck zu widerstehen.

Als „großen Skandal“ empfindet Lorenz Böllinger, Kriminalwissenschaftler an der Bremer Uni, die jetzige Gesetzeslage. Die MPU sei „extrem entwürdigend“. Anders als bei Alkoholkonsum, bei dem eine MPU erst ab einer Grenze von 1,6 Promille hinter dem Steuer veranlasst wird, gibt es beim Cannabiskonsum keine Grenzwerte.

Im Fall des Oldenburgers wurden 1,9 Nanogramm THC und THC-Carbonsäure im Blut gefunden. Eine Menge, die nach Meinung des Kölner Mediziners Franjo Grotenhermen, Vorsitzender der International Association for Cannabis as Medicine, auf einen mindestens zehn Stunden zurückliegenden Konsum hinweist. Bei diesem Ergebnis könne der Verkehrsteilnehmer keine Beeinträchtigungen gezeigt haben, so Grotenhermen. Dass die Polizei ihn nach der Kontrolle für nicht fahrtüchtig hielt, sei „völlig absurd“.

In verschiedenen Publikationen schlägt Grotenhermen einen Grenzwert von etwa zehn bis 20 Nanogramm vor, bis zu dem der Verkehrsteilnehmer als nicht beeinträchtigt zu gelten habe. Es sei sehr schwierig, sich auf einen Wert zu einigen, weil jede Person unterschiedlich auf den Konsum reagiere und auch die Wirkverläufe je nach Art der Einnahme verschieden sind, weiß der Fachmann. Die Beeinträchtigung durch den Cannabisrausch ist für Grotenhermen vergleichbar mit der Beeinträchtigung von 0,5 bis 0,7 Promille Alkohol.

Trotzdem: Wer kifft, egal ob im Sessel oder im Auto, kann seinen Führerschein verlieren. Erkennt die Polizei Kiffer am Äußeren? Kommissaranwärter Behrens: „Nein, das kann man heutzutage nicht mehr.“ Drogenkonsumenten gebe es in jeder Altersklasse und jeder Gesellschaftsschicht. Zu erkennen sind sie wohl nur an den Pupillen.

Laura Ewert