Signale aus der Prager Burg nach Berlin

Tschechiens neuer Präsident Václav Klaus verurteilt die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg

PRAG taz ■ Tschechiens frisch gebackener Präsident Václav Klaus hat erste Signale nach Deutschland gesandt. Unakzeptabel sei die Gewalt, die Tschechen den Deutschen während der Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg angetan haben. „In der Tschechischen Republik wie auch in Deutschland sollten wir uns sagen können: Das ist passiert, heute ändern wir die Vergangenheit nicht mehr, aus heutiger Sicht handelt es sich um eine unakzeptable Tat“, erklärte Klaus anlässlich des 64. Jahrestages der Okkupation der Tschechoslowakei durch die Truppen Nazideutschlands.

Eine klare Haltung, die Klaus, wie er nun eifrig versichert, immer gehabt habe. So offen ausgedrückt hat er sie noch nie. Im Gegenteil. Den meisten politischen Beobachtern bleibt vor allem die antideutsche Kampagne im Gedächtnis, die Klaus als Chef der Bügerdemokraten ODS während der Wahlen im vergangenen Juni geführt hatte. Tschechische nationale Interessen seien bedroht, ließ er damals verlauten. Von Deutschen wie auch der Europäischen Union.

Die Tschechentümelei von einst hatte Klaus zwar nicht zum Premier gemacht, wohl aber zum Präsidenten. Gekürt wurde er schließlich mit den Stimmen der kommunistischen Abgeordneten, die sich von ihm versprachen, er würde auch weiter auf eine Eiszeit zwischen Deutschland und Tschechien setzen.

Klaus sollte den Titel „Unterhalter des Jahres“ verliehen bekommen, schlug Volkes Stimme in einer Diskussion auf den Internetseiten der Tageszeitung MF Dnes vor. Schließlich habe noch niemand die Kommunisten so zum Narren gehalten wie er. Umso erzürnter sind jetzt die Enkel Stalins, die Umfragen zufolge im Beliebtheitsgrad bei über 22 Prozent liegen.

Mit einer solchen Rhetorik vor den Präsidentenwahlen wäre er von einigen Genossen sicher nicht gewählt worden, schimpft die kommunistische Abgeordnete Zuzka Rujbrová. Überhaupt benimmt sich Klaus seit seiner Wahl anders als gewöhnlich. Der zynische Machtpolitiker versucht sich in der Öffentlichkeit als liebenswerter Volkspräsident zu etablieren. Am Tag seiner Inauguration ließ er auf der Prager Burg ein fröhliches Volksfest mit Musik und billigem Bier veranstalten und mischte sich unter die Menge. Wenn die Klaus-treue Presse ergeben über den Tagesablauf des Präsidenten berichtet, lässt sich er sich mit einem Müllbeutel fotografieren. Auch der höchste Mann im Staat, so seine Message, trägt brav den Abfall weg.

Ganz so richtig sitzt die Verwandlung des Václav K. vom Saulus zum Paulus dennoch nicht. Trotz seiner Beteuerungen, er werde ganz verfassungsgemäß ein unpolitischer Präsident sein, zeigt er seinem Premier Vladimír Špidla auch gerne mal die Zähne. Als Špidla Ende vergangener Woche seinen Industrieminister Jiří Rusnok als Strafe dafür abberief, dass dieser während der Präsidentenwahlen gegen die Parteidisziplin und für Klaus gestimmt hatte, mischte sich Klaus sofort ein. Ob der Nachfolger denn überhaupt eine Fremdsprache beherrsche, ließ er Špidla fragen – und überschritt damit seine selbst erklärten Kompetenzen. ULRIKE BRAUN