Hunderttausende von Kürzungen betroffen

Doch ein Experte warnt: Klagen gegen Einschränkungen beim Arbeitslosengeld haben nur wenig Erfolgschancen

BERLIN taz ■ Seit der Bundeskanzler seine Kürzungspläne bei Arbeitslosengeld und -hilfe verkündet hat, reißen die Proteste nicht ab. Doch wie sich die Einschränkungen genau auswirken werden, darüber herrscht noch Unklarheit. Nach den bisherigen Plänen sollen Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II zusammengefasst werden, das auf der Höhe des bisherigen Sozialhilfeniveaus liegt. Dieses beträgt 640 Euro pro Monat inklusive Wohnkosten. Von den 1,7 Millionen Beziehern von Arbeitslosenhilfe erhält bislang fast jeder Dritte eine Leistung von mehr als 600 Euro. Diese Erwerbslosen bekämen künftig also weniger.

Noch nicht geklärt ist, welches „Schonvermögen“ die Empfänger von Arbeitslosengeld II behalten dürfen. Arbeitslosenhilfebezieher dürfen bislang ein Schonvermögen von 200 Euro pro Lebensjahr behalten, höchstens aber 13.000 Euro. Für Sozialhilfeempfänger gilt ein Freibetrag von nur 1.280 Euro. Wie SPD-Generalsekretär Olaf Scholz gestern sagte, favorisiere er für das künftige Arbeitslosengeld II die Anrechnungsmodalitäten der Arbeitslosenhilfe.

Die Arbeitsämter haben noch keine Zahlen darüber, wie viele ältere Arbeitslose von den geplanten Kappungen betroffen sein werden. Wie berichtet, will Bundeskanzler Schröder die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes begrenzen, und zwar auf 12 Monate für die unter 55-Jährigen und auf 18 Monate für die über 55-Jährigen. Wer seinen Job verliert, bekäme danach in der Regel nur noch 12 Monate Arbeitslosengeld und dann das Arbeitslosengeld II. Bislang erhalten Betroffene, die älter als 45 Jahre sind, ein verlängertes Arbeitslosengeld.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat angekündigt, gegen die Kappung der Bezugsdauer vor dem Verfassungsgericht zu klagen. Einer solchen Klage werden von manchen Experten wenig Erfolgsaussichten eingeräumt. In der Sozialversicherung gebe es zwar auch ein Recht auf Eigentum an den eingezahlten Beiträgen, dieses Grundrecht müsse jedoch abgewogen werden gegen das Interesse der Allgemeinheit. Wenn beispielsweise hohe Lohnnebenkosten ein Sozialsystem bedrohten, müsse es möglich sein, auch bei den Sozialleistungen zu kürzen, sagte Verfassungsrechtsexperte Professor Hans D. Jarass von der Universität Münster.

Übergangsfristen von etwa zwei Jahren sind aber im Gespräch. Wenn die Reform vom 1. Januar 2004 an in Kraft treten würde, bekämen die dann älteren Empfänger noch das verlängerte Arbeitslosengeld. Erst 2006 wäre die Leistung damit endgültig abgeschafft.

Betroffen von den geplanten Einschränkungen sind auch die Empfänger von Krankengeld. Zwei Millionen Kranke erhielten im Jahr 2001 die Leistung, die etwa 7,56 Milliarden Euro kostet und fünf Prozent der Leistungen der Krankenkassen ausmacht. Krankengeld bekommt man nach der sechswöchigen Lohnfortzahlung, das Krankengeld beträgt 70 Prozent des Bruttolohns und wird längstens 78 Wochen gewährt. Würde man diese Leistung privat versichern, wie Schröder vorschlug, so bestünde die Gefahr, dass Ältere und chronisch Kranke dafür erheblich höhere Beiträge zahlen müßten als bisher, erklärte Michaela Gottfried, Sprecherin beim Verband der Angestellten-Krankenkassen. BARBARA DRIBBUSCH