An der Heimatfront hat Tony Blair schon fast gewonnen

Die innerparteiliche Rebellion gegen den britischen Premier kam zu früh. Jetzt steht Blair wieder gefestigt da. Wenn seine Gegner nun zurücktreten – umso besser für ihn

BERLIN taz ■ Ein Krieg gegen den Irak ist auch ohne neue UN-Resolution völkerrechtlich legal. Dies hat, gerade rechtzeitig zum endgültigen Scheitern der britischen Bemühungen um eine solche Resolution, der britische Generalstaatsanwalt Lord Goldsmith herausgefunden. In einer schriftlichen Stellungnahme für das Oberhaus erklärte Goldsmith gestern, die bisherigen Irakresolutionen des Rates, zuletzt die Resolution 1441, reichten aus, um einen Militärschlag zu legitimieren. Kurz danach trat der britische UN-Botschafter Jeremy Greenstock in New York vor die Presse und erklärte, die Bemühungen um eine neue Irakresolution seien gescheitert.

Für Blair ist dies ein politisches Vabanquespiel. Das letzte halbe Jahr hat die britische Regierung damit verbracht, die USA von der Sinnhaftigkeit des UN-Rahmens zu überzeugen, und ständig versucht, eine konsensfähige zweite UN-Resolution zu entwickeln. Jetzt vor die Alternative gestellt, einen Irakkrieg ohne die UNO oder ohne Großbritannien zu führen, entschied sich Blair für Großbritannien.

Er ist damit nicht nur seinen Prinzipien untreu geworden. Er handelt auch gegen den Willen seiner Landsleute. Nur 11 Prozent der Briten unterstützen laut Umfragen eine britische Teilnahme an einem Irakkrieg ohne neue UN-Resolution. Aber stürzen wird Tony Blair darüber nicht. Seine Gegner haben eine einmalige Chance zum Regimewechsel in London dilettantisch verspielt.

Dass die kriegskritische Entwicklungsministerin Clare Short vorletzten Sonntag laut mit Rücktritt drohte, fand noch breites Verständnis. Als dann aber der linke Flügel der Labour-Fraktion im Parlament, die so genannte Campaign Group, nicht Short zum Amtsverzicht aufforderte, sondern Blair, zwang das die Partei zur Geschlossenheit. Auf einer emotionsgeladenen Fraktionssitzung am Mittwoch durften Blair-treue Abgeordnete reihenweise ihre Solidarität bekunden, während die Kriegsgegner als Putschisten dastanden. Am Donnerstag besiegelte Blairs ewiger Rivale, Finanzminister Gordon Brown, das Schicksal der Abweichler, als er erklärte, er werde Blair „für die nächsten Jahre“ weiter unterstützen.

Der Fehler der Labour-Linken war es, aus einer Antikriegshaltung eine Anti-Blair-Haltung machen zu wollen. In den aufgeregten Debatten der letzten Woche begannen große Teile der Partei offenbar zum ersten Mal, sich ernsthaft zu überlegen, wie denn Labour ohne Tony Blair aussehen würde. Und das Ergebnis war so schrecklich, dass sie wieder zurückschreckten. Premierminister Gordon Brown – ein obsessiver Haushaltsfanatiker, der am liebsten sämtliche Bereiche des öffentlichen Lebens mit unerfüllbaren Planvorgaben regelt? Einen besseren Weg zu einer Labour-Wahlniederlage in zwei Jahren gäbe es kaum.

Dass Fraktionschef Robin Cook noch gestern Abend zurücktreten wollte, ist kein Triumph für die Kriegsgegner. Im Gegenteil: Er zieht die Konsequenz daraus, dass seine Zweifel an Blairs Politik wohl doch nicht mehrheitsfähig sind. Die magische Zahl bei der heutigen Parlamentsabstimmung heißt 206. Das ist die Hälfte der Labour-Fraktion im Unterhaus. Wenn so viele gegen den Krieg stimmen – aber nur dann –, ist Blair in seiner Partei in der Minderheit und hat ein Problem. Beim letzten Mal, am 26. Februar, reichten 122 Abweichler aus, um das Gefühl von Regierungskrise aufkommen zu lassen. Das war schon eine historische Zahl. Jetzt haben Blairs Gegner sich selbst die Hürde so hoch gelegt, dass der Premier vermutlich aufrechten Hauptes darunter an die Front marschieren kann. DOMINIC JOHNSON