Weiblich, ledig, jung – dringend gesucht

Immer mehr junge Frauen aus Ostdeutschland gehen in den Westen. Jetzt sollen sie in Männerberufe gelockt werden

BERLIN taz ■ Der Osten hat ein Problem: seine Frauen. Es gibt nämlich bald keine mehr – zumindest keine gut ausgebildeten.

Das ist das Ergebnis einer Studie des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden. Von 1991 bis 2001 gingen 620.910 Menschen in den Westen. Ungefähr 400.000 davon waren Frauen.

Um ihre Landestöchter in Zukunft auch im Land halten zu können, hat die schwarz-gelbe Landesregierung Sachsen-Anhalts jetzt die Gründe für den Unterschied zwischen dem Wegzug der Geschlechter erforschen lassen. Schließlich ist das Land selbst stark von der Problematik betroffen. 103.000 Menschen verließen in den letzten zehn Jahren Sachsen-Anhalt, zwei Drittel davon Frauen, von denen wiederum die Hälfte zwischen 15 und 25 Jahren alt war.

Durchgeführt wurde die Untersuchung vom Gender-Institut Sachsen-Anhalt. Dessen Forscher befragten mehr als 1.000 junge Sachsen-AnhaltinerInnen, wieso sie die Absicht hätten, das Land zu verlassen.

„Hauptgrund für die Migration ist die schlechte wirtschaftliche Situation“, sagt Thomas Claus, Geschäftsführer des Gender-Instituts. „Und da ist die Unzufriedenheit mit der Lage bei beiden Geschlechtern gleich hoch.“ Unterschiede gebe es dann aber in den Konsequenzen. „Das liegt daran, dass die jungen, ostdeutschen Frauen eine erheblich größere Leistungsbereitschaft haben als ihre männlichen Altersgenossen.“ Dies führe dazu, dass sie ohne Job oder Ausbildungsplatz auch einen höheren Leidensdruck empfänden. Aber nicht nur das persönliche Gefühl spielt bei den Frauen eine Rolle, wenn sie sich für den Wegzug entscheiden. Auch das Verhalten der Arbeitgeber treibt sie aus dem Land.

„Bei knappen Arbeitsplätzen werden Frauen gegenüber Männern benachteiligt“, sagt Claus. Ursache ist, dass Frauen „eben schwanger werden können. Vor allem, wenn sie noch so jung sind.“ Deshalb stellten Arbeitgeber lieber Männer ein. Dies gelte mittlerweile sogar in den klassischen „Frauenberufen“ der Dienstleistungsbranche, so Claus. „Da drängen sich die Männer jetzt auch rein. Was einfach daran liegt, dass viele von ihnen ihren Job in der Industrie in den letzten Jahren verloren haben.“

Ergebnis: Bei den Sozialhilfeempfängern liegt die Zahl der Frauen erheblich höher als die der Männer.

Als Reaktion auf die Ergebnisse des Reports startet die Landesregierung jetzt Projekte, mit denen Mädchen und junge Frauen an „Männerberufe“ herangeführt werden sollen. So werden Studentinnen technischer Berufe in die Schulen gehen und versuchen, Vorbehalte der Mädchen gegen Technik und Maschinen abzubauen.

Gleichzeitig sollen für Studentinnen und Absolventinnen dieser Studienrichtungen Praktika angeboten werden, durch die sie Beziehungen zu „beruflich versierten Frauen“ aufbauen können, wie es Sozialminister Gerry Kley (FDP) ausdrückt.

Den Zuspruch des Experten haben die Programme auf jeden Fall sicher. „Auch wenn eine Verbesserung der Arbeitsmarktsituation das A und O ist, sind solche Programme ein guter Weg“, meint Thomas Claus. Und auch Bedenken, dass die gut ausgebildeten Frauen lediglich die Arbeitsplätze der Männer besetzen, lässt er nicht gelten. „Das kann natürlich sein, aber ich sag es mal ganz hart: Wir brauchen die Frauen mehr.“ Schließlich habe Sachsen-Anhalt eine Geburtenrate von 1,6 Prozent. Damit die Bevölkerung nicht schrumpft, bräuchte man ungefähr das Doppelte. Und außerdem: „Es ist ja auch nicht toll für die Männer, wenn es keine Frauen mehr gibt.“ RUDI NOVOTNY