Eier werfen gegen den Hungerkünstler

Der amerikanische Extrem-Performer Mr Magic Man fastet neben dem Tower und spaltet Londons Bevölkerung

„Sehen Sie am 20. Oktober um 22.00 Uhr auf Channel 4, wie David Blaine nach 44 Tagen Hungern seinen Käfig verlässt.“ Als der US-amerikanische Performancekünstler vor einigen Tagen dabei war, in seiner 20 Meter über dem Boden schwebenden Glasbox die Halbzeit seines neuesten Stunts zu erreichen, stand diese Programmankündigung wegen Volkszorns auf der Kippe.

In seiner Heimat mag Blaine ein Superstar sein, doch an der Themse – in unmittelbarer Nähe der monumentalen Tower Bridge – ruft das Medienspektakel keinesfalls nur Begeisterung hervor. Die Eier, die gegen den an einem Kran aufgehängten Plexiglaskasten flogen, waren nur der Anfang. Dann kam jemand auf die Idee, Fastfood an einen Spielzeughubschrauber zu hängen und gegen Blaines Hungerspektakel-Zelle zu steuern.

Während Blaines Imageberater noch grübelten, was in London denn falsch laufen könnte, tauschten die Bürger im Internet ihre Wutausbrüche aus. „Auf dieser Welt verhungern Menschen, und dieser Scheißtyp macht das nach, um sich selbst zu promoten – abscheulich. Lasst uns eine Grillparty unter seinem Käfig feiern!“ Ein anderer wollte unter der Box gar ein „Feuer der Eitelkeiten“ entzünden.

„Es geht ihm doch gar nicht ums Geld, sondern darum, ganz persönlich etwas zu erreichen“, meldeten sich daraufhin Blaines Fans zu Wort. Von diesen gibt es viele, zumeist sind sie dreizehn Jahre alt, tragen Zahnspangen und spielen unter dem Käfig Karten. An das Gitter, das sie von dem Fuß des Krans trennt, haben sie Rosen und Nachrichten in Großschrift gesteckt, die langsam vor sich hin schmuddeln. Manchmal kreischen sie „David, look here!“ oder „David, you’re great!“ in die Luft.

Der einsame Mann da oben lächelt dann, spreizt seinen Daumen ab und streckt ihn in die Luft oder winkt. Letzteres ähnelt mehr einem Segnen, vielleicht bloß deshalb, weil der hungernde Held schon so schwach ist und seine Gliedmaßen nur mehr langsam steuern kann.

Trotzdem: Eine sakrale Stimmung liegt in der Luft, die der Meister dadurch abzuschwächen versucht, dass er auf das Glas vor seinem Rücken eine Botschaft geschrieben hat. „Ich bin nur ein Mensch“, steht da, „der entdeckt, wie stark wir alle in Geist und Körper sind.“ Einer macht das durch, wovon wir alle träumen und wovor wir alle Angst haben – nichts Übersinnliches, bloß das Grundelement der meisten erfolgreichen Drehbücher aus Hollywood.

STEFAN KAUFER