Freundlich zum Fahrrad

Sie bringen das Gepäck zur nächsten Unterkunft und ölen womöglich noch die Kette – für ihre Reiseradler tun viele Hoteliers einfach alles. Doch manchmal könnte weniger mehr sein

VON CHRISTOPH RASCH

Hin und wieder muss Peter Härtig „Feuerwehr“ spielen. Etwa dann, wenn den Hotelier aus dem brandenburgischen Seelow plötzlich der flehende Anruf einer Radreisegruppe erreicht, die einen Unfall auf der viel befahrenen Bundesstraße Richtung Polen hatte und nun im Dauerregen steht. Härtig setzt sich in seinen Transporter und verfrachtet Räder und Radler erst ins Auto und dann in sein Waldhotel. Ein Service der besonderen Art.

„Als Hotelier muss man sich in schwierigen Zeiten etwas einfallen lassen“, sagt Peter Härtig, der nach der Wende seine Hotelanlage auf einem ehemaligen Kasernengelände am Seelower Stadtrand aufzog. Wer hier im Hinterland des modellhaften Radwegs entlang der Oder auf Tour geht, braucht etwas Pioniergeist, wird aber mit landschaftlicher Idylle von der Schlossruine bis zum Storchennest belohnt.

Um mehr Radler in die strukturschwache Region zwischen Berlin und Kostrzyn zu locken, hat sich Härtig mit vier anderen Hoteliers der Region zusammengetan. Gemeinsam bieten sie Gepäcktransport und Abholservice, Mieträder und Reparaturen an. „Beim Radtourismus stecken noch Potenziale drin“, glaubt Härtig – und hofft auf ein Drei- bis Vierfaches der bisherigen Touristenzahlen.

Deutschlands Hoteliers setzen auf die Radler – nicht nur in Ostdeutschland weckt der Radtourismus die Hoffnungen einer angeschlagenen Branche. Denn während das allgemeine innerdeutsche Verreisen eher stagniert, nahm der Radtourismus 2003 um 12,5 Prozent zu. Und laut einer jüngst von der brandenburgischen Industrie- und Handelskammern durchgeführten Untersuchung messen 82 Prozent der befragten Beherbergungsbetriebe den Radelgästen weiterhin steigende wirtschaftliche Bedeutung bei. Und so locken sie verstärkt mit Mieträdern, Lunchpaketen, organisierten Tagestrips oder ganzen Pauschalrundreisen.

„Die Hoteliers müssen damit oft eine dürftige Infrastruktur vor Ort ausbügeln“, sagt Marc Schnerr vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband. Auch Kooperationen unter den Hotels lägen da voll im Trend, meint der Sprecher des Hotel-Dachverbandes. Doch nicht jedes vermeintlich fahrradfreundliche Angebot wird zum Erfolg, denn die Zielgruppe ist diffus: So bevölkern am Wochenende vor allem Tagesausflügler die Radrouten – Studenten, Familien. Von ihnen profitieren Gaststätten und Restaurants, weniger aber die Hotels. Dort steigen eher größere Radreisegruppen ab, die ihre Tour lange planen und viel Zeit im Gepäck haben – die Zielgruppe „50 plus“. Keine Wunder, dass den fahrradfreundlichen Bemühungen des Gastgewerbes das Seniorenimage anhaftet.

Kaum anders ist dies bei Herbergen, die bereits etablierte Qualitätssiegel tragen, wie das vom ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) verliehene „Bett & Bike“-Label. Mehr als 3.500 Hotels und Gasthäuser bundesweit schmücken sich mittlerweile mit dieser Plakette, an den großen Radfernwegen liegen die B&B-Unterkünfte nicht weit auseinander. Doch offensichtlich finden noch nicht alle Radreisende den Weg ins fahrradfreundliche Etablissement. Wer jung ist und über ein schmales Budget verfügt, bleibt zumeist außen vor. „Jüngere Leute wollen nicht nur preisgünstigere Herbergen“, weiß ADFC-Tourismusexpertin Gabi Bangel, „sie wollen sich auch spontan entscheiden können.“ Und vielleicht sind für sie das leckere Radlerlunchpaket und die Gepäckbeförderung am nächsten Tag nicht ganz so wichtig.

Bangel fordert deshalb flexiblere Konzepte: „Statt ins nächste Hotel sollte der Gepäcktransport auch zum nächsten Touristenbüro gehen können“, schlägt sie vor, „dann können sich die Radler immer noch entscheiden, wo sie die nächste Nacht verbringen.“ Das wäre dann ein weiterer Service der besonderen Art – und zudem ohne großen Aufwand zu realisieren.