Butterweich reisen

Vollfederung – immer und in jedem Fall? Was für Mountainbike und City-Bike gut ist, muss beim Reiserad keinesfalls das Nonplusultra sein. Doch es gibt Alternativen, selbst Ballonreifen kommen als Weichmacher in Betracht

VON WOLFGANG A. LEIDIGKEIT

Abseits der asphaltierten Pfade droht die Härte. Ob skandinavische Schotterpiste oder Treidelpfade entlang von Flüssen und Kanälen – Fahrvergnügen wie auf dem Rüttelsieb. Sofern das Fahrrad ungefedert ist. Doch deshalb gleich aufs voll gefederte Fahrrad steigen?

Immerhin wollen die etwa 4,5 Kilo, die ein voll gefedertes Velo an Mehrgewicht auf die Waage bringt, auch bewegt und gegebenenfalls die Berge hochgewuchtet werden. Dass eine zumindest teilweise Federung schon sinnvoll sein kann, belegen Studien der Sporthochschule Köln. Dort wurde zuerst einmal festgestellt, dass die kurzen und schnellen Erschütterungen und Schockbelastungen, denen man auf ungefederten Bikes ausgesetzt ist, tatsächlich problematisch für den Körper sind. Insbesondere die Wirbelsäule hat extrem unter den Belastungen zu leiden. Aber allein eine gute gefederte Sattelstütze könne die Wirbelsäulenbelastung um rund 68 Prozent reduzieren.

Einen noch größeren Federungskomfort versprechen die Hersteller voll gefederter Velos. So soll die Federung des Hinterbaus bereits gut ein Drittel aller Stöße abfangen. Und sicherlich ist unbestritten, dass eine Vollfederung auch die Fahrsicherheit gerade mit Gepäck beladener Velos erhöht. Doch sie kann neben dem deutlich größeren Gewicht auch weitere Nachteile mit sich bringen.

Da sind zum einen höherer Verschleiß und ein deutlich größerer Wartungsaufwand. Zum anderen schlagen wirklich gute Federelemente mit einem spürbar höheren Preis zu Buche. Das Hauptargument gegen ein voll gefedertes Reiserad: die auf Reisen nicht immer zu gewährleistende Ersatzteilversorgung. Eine gefederte Sattelstütze und auch eine Federgabel dürfte auch der Fahrradhändler in der Provinz oder im Ausland gegen ungefederte Elemente austauschen können. Dagegen wird spätestens bei einem Schaden am gefederten Hinterbau in vielen Fällen die Reise beendet sein, will man nicht auf eine oft teure und zeitraubende Ersatzteillieferung warten.

Daher bieten sich insbesondere für Reiseradler Federungskompromisse an: zum Beispiel gefederte Sattelstütze, kombiniert mit Federgabel oder auch einem gefederten Lenkervorbau. Aber auch die Montage eines anderen Reifens kann den Federungskomfort deutlich erhöhen. So bietet etwa der Reifenhersteller Schwalbe mit dem Ballonreifen „Big Apple“ eine Alternative zu gefederten Bikes. Aufgepumpt auf 2 bis 2,5 Bar, entwickeln die Reifen fast die Qualität gefederter Fahrräder. Stöße auf die Wirbelsäule soll „Big Apple“ nach einer Untersuchung der Sporthochschule Köln um immerhin 25 Prozent abfangen können – ein gefederter Hinterbau bringt nur wenig mehr. Allerdings passt der großvolumige Reifen nicht in jede Rahmenkonstruktion und könnte im Zeitalter der sportlichen Fahrradkonstruktionen auch visuell gewöhnungsbedürftig sein.

Immerhin: Eine spezielle Felge benötigt der „Big Apple“ nicht. Somit hätte man auf Reisen ein Ersatzteilproblem weniger: Sollte ihn der Händler in der Prärie nicht auf Lager haben, könnte auch ein herkömmlicher Reifen montiert werden.