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: Wallace-Gang jagt fantastische Vier

Ab morgen versuchen die Detroit Pistons im NBA-Finale, Shaquille O’Neal und seinen Los Angeles Lakers den Korbwurf abzugewöhnen

Die Protagonisten der morgen beginnenden Finalserie in der Basketball-Liga NBA haben eine ziemlich gute Vorstellung davon, was auf sie zukommen könnte. Es sei ihm egal, ob ein Match 29:28 ausgehe, sagt Center Ben Wallace von den Detroit Pistons, solange sein Team den einen Punkt vorn sei. Kollege Karl Malone von den Los Angeles Lakers sieht die Sache ähnlich: „Mir wurscht, ob wir nur 50 Punkte machen, wenn wir am Ende vier Siege haben.“ Einiges deutet darauf hin, dass die maximal sieben Spiele währende Serie kein Festival des Offensiv-Basketballs sein wird.

Verantwortlich für diese Einschätzung sind die Detroit Pistons, das vielleicht defensivstärkste Team, welches die Liga je gesehen hat. In ihren gewonnenen Serien gegen New Jersey und Indiana sorgten sie dafür, dass gleich mehrere Partien zu denen mit der niedrigsten Punktezahl in der NBA-Geschichte gehörten. Wo der Ball war, da war meist auch eine Hand, und die gehörte einem Spieler der Pistons. Gegen die Pacers blockten sie in einem Match stolze 19 Würfe. Weit weniger imposant war ihre Angriffsleistung, was Lakers-Coach Phil Jackson mit Sorge erfüllt. „Meine Spieler könnten glauben, dass dieses Team offensiv zu schlecht ist, um mit uns mithalten zu können.“ Wenn Los Angeles in diesem Jahr ein Play-off-Spiel verlor, dann meist, weil Stars wie Shaquille O’Neal, Kobe Bryant, Gary Payton oder Karl Malone sich zu sehr auf die Überlegenheit ihrer Offense verließen. „Fantastische Vier gegen Wallace-Jungs“, nennt Shaq das Finale.

Ein weiterer Anreiz, die Pistons zu unterschätzen, dürfte die eklatante Dominanz der West-Teams in den letzten Jahren sein. Seit Michael Jordans Chicago Bulls nach dem Titelgewinn 1998 auseinander brachen, haben zweimal die San Antonio Spurs, dreimal die Lakers das Finale gewonnen. Los Angeles gab dabei gegen die Ost-Herausforderer Philadelphia, Indiana und New Jersey ganze drei Partien ab.

Detroit könnte jedoch ein härterer Brocken sein, obwohl auch sie kein probates Mittel gegen Shaq haben. „Keine Ahnung, wie wir ihn stoppen sollen“, sagt Coach Larry Brown. Elden Campbell und Rasheed Wallace werden sich wohl vorzugsweise um den übermächtigen O’Neal kümmern, wobei der aufbrausende und meckerfreudige Wallace zum fehlenden Körpervolumen das zusätzliche Handicap hat, dass ihm die Schiedsrichter rasend gern Fouls anlasten. Eine Taktik könnte sein, Shaq, dessen Freiwurfquote schlechter denn je ist, permanent zu foulen. Der noble Brown lehnt dieses Hack-a-Shaq eigentlich ab, aber er sagt auch: „Wenn das, was wir tun, nicht funktioniert, müssen wir eben was anderes probieren.“

Aber auch wenn die Pistons die Lakers einigermaßen im Zaum halten können, müssen sie einen Weg finden, selbst zu punten. Das ist vor allem die Aufgabe von Richard Hamilton, dessen Punkte Indiana eliminierten und dessen Duell mit Kobe Bryant der Schlüssel sein könnte. „Rip“ Hamilton ist ein ehemaliger Mittelstreckenläufer, der permanent in Bewegung ist, die Gegenspieler ermüdet, zum Korb schneidet und sich geschickt Platz für seinen exzellenten Sprungwurf aus der Mitteldistanz schafft. Eine Spielweise, die stark an Indianas Reggie Miller erinnert, der sagt: „Ich sollte Tantiemen kassieren.“

Die Serie ist auch ein Aufeinandertreffen zweier Trainer mit ähnlich gutem Ruf, aber höchst unterschiedlicher Erfolgsbilanz. Phil Jackson ist drauf und dran, seinen zehnten Titel zu holen, Larry Brown war in 32 Jahren NBA noch nie Meister. Das erste von zwei Spielen in Los Angeles findet morgen statt, dann geht die Serie für maximal drei Spiele nach Detroit. Ein Format, dass Jackson nicht sehr schätzt. „Man muss eine ganze Woche in einer Stadt verbringen“, sagt der Coach, „ich will mir ja nicht den Mund verbrennen, aber wir alle wissen doch über Detroit Bescheid.“

MATTI LIESKE