Schuss vor den Bug

Mitten im Wahlkampf kündigt die Kieler Howaldtswerke Werft an, den Bau von Überwasserschiffen auszulagern. Das bringt 400 Arbeitsplätze in Gefahr – und die Landesregierung in Bedrängnis

Aus KielEsther Geißlinger

„HDW: So nicht!“ – mit diesem Slogan rief der SPD-Landesvorstand im vergangenen September die Sozialdemokraten im Norden zur Demo gegen den „geplanten Kahlschlag“ in Deutschlands größter Werft auf. Um rote Anoraks wurde gebeten, damit die Sozen denn auch gut zu sehen seien. Auch der Chef der Grünen-Fraktion, Karl-Martin Hentschel, erschien damals verspätet zu einem Programmparteitag: Demo ging vor, denn schließlich setzen sich die Grünen dafür ein, „unsere Werften an die technologische Weltspitze zu bringen“. Damit der Schiffbau im Land eine Zukunft hat.

Genützt hat es wenig: Die Kieler Howaldtswerke-Deutsche Werft AG (HDW) ist der Verlierer einer Fusion mit der Thyssen Krupp Werften GmbH. Der neue deutsche Werftenverbund, die ThyssenKrupp Marine Systems AG, mit Standorten in Hamburg, Kiel und Emden kommt auf einen Jahresumsatz von rund 2,2 Milliarden Euro und hat rund 6.500 Mitarbeiter. Die Zentrale wird in Hamburg liegen – und die Kieler fürchteten bereits im vergangenen Jahr, dass dem Standort an der Ostsee damit langsam das Wasser abgegraben wird.

Dieser Verdacht scheint sich zu bestätigen: Wie jetzt bekannt wurde, ist geplant, den Bau von Überwasserschiffen in eine eigene Gesellschaft auszulagern. Damit würde die HDW nur noch U-Boote bauen – eine Entwicklung, vor der Ministerpräsidentin Heide Simonis im November gehofft hatte, sie würde nicht eintreten. Damals hatte die Landesregierung den Werften Schleswig-Holsteins, allen voran dem mächtigen Dampfer HDW, 30 Millionen Euro Beihilfe zugesagt, von denen ein Drittel der Bund, den Rest das Land zu tragen hat. Das Geld soll den Unternehmen im Konkurrenzkampf mit asiatischen Billiganbietern helfen: Mit den öffentlichen Mitteln wird ein Teil der einheimischen Produktionskosten gedeckt.

Durch den neuen Verbund gehen insgesamt rund zwölf Prozent der Werft-Arbeitsplätze verloren. Bei der HDW soll sich dieser Prozess über rund zwei Jahre hinstrecken: Die Angestellten hatten auf Teile des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes verzichtet und daraufhin Beschäftigungsgarantien erhalten. Möglich scheint, dass diese durch die Ausgliederung des Überwasser-Schiffbaus umgangen werden sollen: Von ihr sind voraussichtlich 400 bisherige HDW-Mitarbeiter betroffen.

Hat die Regierung genug getan, um die Werft zu retten? Ja, meint Ministerpräsidentin Simonis: Man habe verhandelt, aber am Ende ließe sich ein Unternehmen nicht zwingen. Nein, sagt die Opposition, allen voran der FPD-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki: „Die HDW war die einzige gut aufgestellte Werft im Verbund und ist jetzt diejenige, die die schlechtesten Chancen hat“, erklärte er in einem taz-Gespräch. Die Regierung habe „mit großen Kinderaugen“ zugeschaut, wie der Dampfer langsam abtrieb: „Die Hamburger Pfeffersäcke haben die Kieler Schnarchsäcke über den Tisch gezogen.“

Unter anderem, sagt FDP-Sprecher Christian Albrecht, sei Wirtschaftsminister Bernd Rohwer bei wichtigen Verhandlungen nicht dabei gewesen: „Er hat einen Radweg eingeweiht.“ Die heutigen Krokodilstränen der Regierung seien also albern – wie in anderen Fällen auch, habe Rot-Grün die Interessen des Landes schlecht vertreten.

Ärgerlich sei das besonders in Fällen wie der Hamburger Landesbank, die früher zu 50 Prozent Schleswig-Holstein gehört habe: „Als verschmolzen wurde, ging die Zentrale nach Hamburg.“ Mit weichen Standortfaktoren – Golfplätze, gute Luft – hätte das Land punkten sollen, meint Albrecht: „In anderen Teilen der Welt siedeln sich Firmen wegen genau solcher Faktoren an.“