Der Dollar als Big Spender

Euroland führt stolz die Flut-Spenden-Charts an. Verantwortlich dafür ist ein anderer: der schwache Dollar. Vor zwei Jahren wären die Euro-Spenden bis zu dreißig Prozent weniger wert gewesen

VON DIETMAR BARTZ

Hilfszusagen von Regierungen für die Flutopfer am Indischen Ozean werden kaum noch ernst genommen, wenn sie sich nicht im neunstelligen Bereich bewegen. Fast zwei Milliarden Euro kommen offiziell von der EU und ihren Mitgliedsländern und vielleicht noch einmal die Hälfte durch Spenden der Bevölkerung. Allein aus Deutschland kommen 500 amtliche und mindestens 200 private Millionen. Kaum beachteter Nebeneffekt: Der größte Einzelspender der Welt ist der augenblickliche Dollarkurs.

Weil die US-Devise so schwächelt, kommt bei den Hilfszusagen aus dem Euro-Raum derzeit dreißig Prozent mehr Geld in Dollars heraus, als wenn sich die Katastrophe im Juli 2002 ereignet hätte. Damals standen die beiden Währungen 1:1, gestern lag der Dollar bei etwa 1,32 Euro.

So erspart das augenblickliche Austauschverhältnis dem Rennfahrer Michael Schumacher, der sich im Währungsraum der Formel 1 bewegt und zehn Millionen Dollar gespendet hat, fast drei Millionen Euro. Anständig bleibt diese Spende von zwei Monatsgehältern trotzdem.

Zwei Jahre vor dem 1:1 hing der Euro sogar im Keller. Im Herbst 2000 gab es für einen Euro nur 0,85 Dollar. Viereinhalb Jahre bewirken also eine Erhöhung des Spendenvolumens um 50 Prozent. Zwei Faktoren sorgen dafür, dass die derzeit veröffentlichten Spendentabellen nach Ländern wenig aussagekräftig sind – anders ausgedrückt: wie viel die Opfer von der günstigen Wechselkurslage haben.

Erstens geht es darum, wo die zugesagten Gelder ausgegeben werden. Wenn Hilfsgüter in Euroland gekauft und in die Krisenregion geliefert werden, ist die Wechselkursdifferenz egal. Auf dem Weltmarkt für Decken und Zelte, technisches Gerät und Lebensmittel kommt sie voll zur Geltung, weil dort in Dollar abgerechnet wird. Grundsätzlich ist es wünschenswert, Hilfsgüter und Dienstleistungen wie etwa Baukapazitäten innerhalb der Krisenländer zu kaufen, um auch auf diese Weise zum wirtschaftlichen Wiederaufbau beizutragen. Tatsächlich wirkt sich der Wechselkurs auch hier günstig aus, weil sich die Währungen der wichtigsten Krisenländer deutlich stärker am Dollar orientieren als am Euro. Hätte eine Währung einen regelrechten Einbruch erlitten, wäre der Wechselkurseffekt noch positiver gewesen. Ein solcher Vorteil wäre möglicherweise aber durch die entsprechende Verteuerung der Exporte aus diesen Ländern überkompensiert worden. Egal – direkte Seebeben-bedingte Kursschwankungen blieben unterhalb des Prozentbereiches.

Der zweite Faktor ist, wann die zugesagten Gelder ausgegeben werden. Sinnvollerweise werden die zusagten Regierungsmittel über mehrere Jahre gestreut. Hier steht wohl zu erwarten, dass ihr Dollarwert umso stärker fällt, je später sie ausgegeben werden. Jedenfalls beobachten Währungsanalysten, dass eine zunehmende Zahl von Geldhändlern von einer tendenziellen Erholung des Dollars ausgehen. Niemand traut sich zwar eine seriöse Prognose zu – ob also der Dollar in einem Jahr bei 1,20 oder nur noch 1,10 Euro steht.

Gegen die Tabellen der Mildtätigkeit lassen sich noch andere systematische Einwände erheben. Aussagekräftig sind die Listen nur, wenn sie ins Verhältnis zu Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft gesetzt werden. Damit verändert sich die Hitliste dramatisch. Hier stehen neben Australien die skandinavischen Länder, allen voran Norwegen, besonders gut da, also die durch die Opfer bzw. durch die Nachbarschaft betroffenen Staaten.

Ein oder zwei zugesagte Milliarden Euro gegen Kursverluste abzusichern könnte eigentlich eine interessante Aufgabe für einen Hedge Fonds sein. Keiner dürfte etwas dagegen haben, wenn dies auch noch als Eigenbeitrag der Finanzspekulanten zur Katastrophenbekämpfung geschähe. Nur sind diese Gelder nicht bereits jetzt vorhanden, sondern werden erst zum Zeitpunkt ihrer Verwendung aus den Staatshaushalten abgerufen.

Anders die Spenden, die derzeit die Girokonten der Hilfswerke in bisher nicht gekannte Höhen getrieben haben. Üblich ist bei ihnen, das Geld kurzfristig als Kapitalanlagen zu parken, um bis zum Abfluss der Mittel an das Empfängerprojekt noch Zinsen zu kassieren. Kurssicherung für die enormen Beträge gegen einen möglichen Euro-Verfall ist hingegen eine neue Notwendigkeit. Bis vor kurzem stieg der Euro-Kurs tendenziell, und der Einsatz eines solchen Finanzinstrumentes war nicht nötig. Aber jetzt droht der Rückgang. Wer dann eine Million Euro etwa nach Asien schicken will, würde mit jedem gefallenen US-Cent rund 70.000 Euro verlieren. Erfreulich, dass diese Erkenntnis unter den Hilfswerken blitzschnell die Runde gemacht hat.