Chef der Deutschen Börse zieht es nach London

Um endlich die London Stock Exchange übernehmen zu können, sollen Teile aus Frankfurt umgesiedelt werden

BERLIN taz ■ Er kam mit einem Koffer voller Zugeständnisse nach London. Werner Seifert, Chef der Deutschen Börse AG, traf sich gestern mit seiner britischen Kollegin Clara Furse von der London Stock Exchange (LSE) – um erneut über eine Übernahme der traditionsreichen britischen Börse zu verhandeln.

Seifert soll laut Verhandlungskreisen angeboten haben, die Steuerung der weltgrößten Terminbörse Eurex und das klassische Wertpapiergeschäft bei einer Fusion von Frankfurt nach London verlegen zu wollen. Seifert war noch nicht wieder in Deutschland gelandet, als die Bundesregierung sein Angebot hinter vorgehaltener Hand kritisierte. Aus Regierungskreisen heißt es, man fürchte, dass durch die Abwanderung der Finanzplatz Deutschland erheblich geschwächt würde.

Bisher ist nicht bekannt, ob Seifert zudem sein Angebot von 5,30 Pfund je LSE-Aktie erhöht hat – bisher wäre das ein Kaufpreis von insgesamt 1,8 Milliarden Euro. Experten rechnen mit einer Nachbesserung auf 6 Pfund pro Aktie. Gleichzeitig halten Analysten bereits den jetzigen Preis für überhöht. Das Geld auf den Tisch zu legen wird für Seifert kein Problem – der sparsame Schweizer hat die bisher angebotene Summe zurückgelegt, indem er Gewinne nicht an seine Aktionäre auszahlte. „Wir haben auf diesen Tag hingespart“, sagte Seifert stolz im Dezember. Für ihn ist das der Kampf um die Vorherrschaft in Europa. Denn nach einer Fusion wäre die Deutsche Börse AG der weltweit zweitgrößte Aktienhandelsplatz – nach der New York Stock Exchange.

Konkurrent in diesem Kampf ist Euronext. Dieser Zusammenschluss der Börsen Paris, Brüssel, Amsterdam und Lissabon brachte sich gestern pünktlich erneut ins Spiel. „Es ist derzeit nicht sicher, ob wir ein Angebot abgeben“, erklärte ein Euronext-Sprecher. Bislang fehlt nämlich ein solches. Klar sei allerdings, dass dieses Angebot „nur“ einen Kaufpreis beinhalte – also nicht mit Umzugszugeständnissen garniert sei, wie bei dem der Deutschen Börse. Hinter den Kulissen soll Jean-Françoise Théodore mit Unterstützung des französischen Finanzministeriums emsig an einem potenten Gegenangebot arbeiten.

Selbst wenn es dazu nicht kommen sollte, ist Seifert noch nicht am Ziel: Die Aktionäre der London Stock Exchange machen keinen Hehl aus ihrem Widerwillen gegen die – ausgerechnet – Deutsche Börse. Schon einmal – im Jahre 2000 – waren die Frankfurter beim Übernahmeversuch an den Aktionären gescheitert. Und selbst wenn Seifert diesmal mehr Erfolg hätte – das europäische Kartellamt könnte noch einen Strich durch die Rechnung machen. Aus Kreisen der Deutschen Börse hieß es gestern, weitere Verhandlungen seien nötig. Seifert fliegt dann wohl mit neuen Angeboten nach London.

SASCHA TEGTMEIER