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„Ertränken war eine typische Strafe“

Speziell für Frauen spielte der Rhein immer eine bedeutende Rolle, meint Bettina Bab vom Kölner Frauengeschichtsverein. Mehr über Rheintöchter gibt‘s auf einer Schiffstour

taz: Frau Bab, der Kölner Frauengeschichtsverein macht seit acht Jahren frauengeschichtliche Rheinfahrten. Welche Rolle spielt der Rhein historisch speziell für Frauen?

Bettina Bab: Als wir zuerst über das Thema nachdachten, fielen uns spontan die Badeschiffe ein, die es noch bis zum Zweiten Weltkrieg gab. Dann wurde am Rhein natürlich gearbeitet und er war ein wichtiger Reiseweg. Es gibt aber auch traurige Geschichten: So sind Frauen im Rhein gestorben. Und es ist ein Ort, der viel mit Ritualen und Legenden zu tun hat. Es gab rituelle Waschungen, die Frauen am Johannistag vorgenommen haben – dem 24. Juni. Das haben wirklich nur Frauen gemacht: Sie wuschen sich im Rhein das kommende Unheil für das nächste Jahr weg. Der italienische Dichter Petrarca schrieb darüber 1333 nach seinem Köln-Besuch.

Sie sagen, Frauen seien im Rhein gestorben. Wodurch?

Das betraf vor allem im 16. bis 17. Jahrhundert die so genannten Kindsmörderinnen. Weil damals auf uneheliche Schwangerschaften Strafe stand, gab es immer wieder Frauen, die ihr Kind umbrachten. Wenn das entdeckt wurde, wurden sie im Rhein ertränkt. Das war eine typische Strafe für Frauen.

Stichwort Rhein als Arbeitsplatz. Was haben die Frauen dort gearbeitet?

Es gab immer schon Schifferinnen, weil die Familien gemeinsam rheinauf und -ab fuhren. Aber auch das Wäschewaschen am Rhein war fast bis zur Erfindung der Waschmaschine mehr oder weniger Usus. Und dann gab es das Bierbrauen, eine ganz wichtige Frauentätigkeit, die zumindest vom Mittelalter bis ins 16. und 17. Jahrhundert zum Haushalt gehörte. Zwar nahmen die Frauen kein Rhein- sondern Brunnenwasser – aber die Brunnen waren mit Grundwasser gefüllt – und das war Rheinwasser. Das Brauen war sehr wichtig, denn das Brunnenwasser war oft bakterienhaltig und nicht sehr gesund. Durch den Gärprozess wurde das Wasser gereinigt.

Man hat früher Bier statt Wasser getrunken?

Ja, oft. Das war viel gesünder.

Auch die Kinder?

Wir können davon ausgehen, dass es alkoholarmes Bier war, das auch die Kinder tranken.

Gibt es heute noch sichtbare Spuren dieser Geschichten?

Das ist schon ein bisschen schwierig in Köln, wo so viel zerstört ist. Aber wir berichten auf der Rheinfahrt zum Beispiel vom Kinderbrunnen in der Sankt-Kunibert-Kirche, an der wir vorbei schippern. Der Brunnen existiert noch immer. Es gab früher die Legende, dass Frauen, die aus diesem Brunnen getrunken haben, schwanger wurden.

Solche Geschichten, die Sie auf der Rheinfahrt erzählen, kommen in der offiziellen Geschichtsschreibung kaum vor. Wie forscht man als Historikerin nach solchen frauenspezifischen Aspekten?

Das ist schon ein mühseliger Weg. Wir suchen nach kleinen Hinweisen in Büchern und Zeitschriften – oder finden manchmal unbekannte Bücher, die in Bibliotheken schlummern. Über ein solches Buch habe ich zum Beispiel erfahren, dass es in Köln im Mittelalter 36 Mühlen gab, die auch Frauen gehörten. Und dass sie die Mühlen verkaufen konnten. Das war in Köln eine Besonderheit, weil Frauen normalerweise kein Geschäftsrecht hatten. Und dann reden wir mit Zeitzeugen – etwa über die Badeschiffe. So setzen wir unsere Geschichten Stück für Stück zusammen – wie ein Mosaik.

Warum heißt es eigentlich „Vater Rhein“?

Das kommt wohl aus der Zeit Napoleons: Damals entstand eine nationale Bewegung gegen die französische Besetzung. Und gerade der Rhein war ein Zankapfel, den Deutsche und Franzosen beide für sich reklamierten. So wurde er zum Symbol für das neue deutsche Nationalbewusstsein – und zum „Vater“. INTERVIEW: SUSANNE GANNOTT

Frauenleben am Rhein, Rheinfahrt mit Bettina Bab und Carolina Brauckmann, 12. Juni, Karten (18 Euro inkl. VRS-Ticket und Imbiss) unter 0221/24 82 65 oder info@frauengeschichtsverein.de; weitere Termine: 26.6., 28.8., 10.9.

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