„Es läuft nicht gut, aber es läuft“

Die Umbaumaßnahmen verzögern sich, wie viele Kinder die neue Ganztagsbetreuung nutzen, ist unklar: An der Heinrich-Zille-Grundschule müssen die Pädagogen improvisieren. Das biete auch Chancen, sagt eine Erzieherin

Krachend landen die quietschbunten Gogo-Figuren an der Wand. „Gewonnen, gewonnen!“, jubelt der siebenjährige Murat und rennt mit seinen Freunden durch den Spielraum der Heinrich-Zille-Grundschule. An den Wänden wachsen Bäume aus Fingerfarben, auf dem Teppichboden liegen die Spielsachen verstreut. Ein Stockwerk tiefer sieht es anders aus: Ein Schrank und zwei Stühle stehen einsam im Raum, daneben ein Regal mit diversen Putzmitteln. Die Wände sind nackt, die restlichen Möbel fehlen.

Die Zille-Grundschule ist Lernort und Spielparadies – beides befindet sich aber teilweise noch im Umbau. Damit ist die Schule ein gutes Beispiel für Licht und Schatten des Kitareformgesetzes, mit dem am Montag die Ganztagsbetreuung an Grundschulen begonnen hat. „Das grundlegende Konzept ist gut“, betont Schulleiterin Inge Hirschmann, die gleichzeitig Vorsitzende des Grundschulverbandes Berlin ist. „Doch die Umsetzung ist weniger professionell.“

Hirschmanns Schule, in die zirka 400 Schüler gehen, 55 Prozent davon mit Migrationshintergrund, hat wie vier andere Kreuzberger Grundschulen mit Umbauproblemen zu kämpfen. Da die Kita, deren Gebäude der Grundschule übergeben wurde, erst Ende Juni das Haus verlassen konnte, verzögerten sich die notwendigen Umbaumaßnahmen. Erst Ende September werden die Sanitäranlagen fertig gestellt sein.

Auch das andere Gebäude, das die Grundschule durch den Wegzug der Kita erhielt, ist noch kein wirkliches Spielparadies. Denn bis gestern fehlten die Möbel für den Ganztagsbereich. Zwar sind sie inzwischen eingetroffen, aber wohnlich ist es dort noch nicht. „Ein schönes Raumkonzept und Sicherheit sind aber wichtig für Kinder. Gerade für die, die sich bei uns neu eingewöhnen müssen“, sagt die Schulleiterin.

Planungsunsicherheit besteht auch bezüglich der Lehrkräfte. Zwar hat Hirschmann genügend Personal zugeteilt bekommen. Aber das erste Zusammentreffen der ErzieherInnen und LehrerInnen konnte erst am Montag stattfinden – an dem Tag, an dem auch die ersten Kinder eintrudelten. „Konzentrierte Vorarbeit war so nicht möglich“, sagt Hirschmann.

Außerdem wartet die Schulleiterin noch auf den Bescheid des Bezirksamts darüber, wie viele Kinder tatsächlich das Betreuungsangebot der Schule wahrnehmen werden. Das hängt ab von den Betreuungsverträgen, die zwischen den Eltern und dem Bezirk geschlossen werden. Bisher hat man nur Schätzzahlen, die sich aus der Anzahl der positiven Bescheide für einen Betreuungsplatz ergeben. „Eigentlich kann man also nur morgens schauen, wie viele Kinder tatsächlich kommen“, erzählt die Pädagogin.

In dieser schwierigen Anfangsphase der Reform liegen aber auch Chancen. „Wir können alle zusammen etwas neu aufbauen und unsere Ideen einbringen“, sagt die Erzieherin Annette Ohme. Ihre Kollegin Birgit Arnold fügt hinzu: „Klar improvisieren wir zurzeit. Aber bis zum ersten Schultag schaffen wir das.“ Das Fazit von Inge Hirschmann ist ähnlich: „Die Reform läuft zwar nicht so gut an, aber sie läuft.“ Alexandra Müller