Polizei sucht Vater der neun toten Kinder

DNA-Analyse soll noch diese Woche Klarheit bringen. Exmann will Schwangerschaften nicht bemerkt haben

BERLIN taz ■ Am vierten Tag nach dem Fund von neun Babyleichen hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) ihre Ermittlungen gestern fortgesetzt. Nach Angaben des Sprechers der Staatsanwaltschaft, Michael Neff, waren bundesweit Beamte unterwegs, um nach möglichen weiteren Babyleichen zu suchen. Durchsucht wurde weiterhin das Grundstück in Brieskow-Finkenheerd, auf dem am Sonntag neun Babyleichen gefunden worden waren. Zudem untersuchten Beamte frühere Wohnungen der tatverdächtigen Mutter in Frankfurt und Eisenhüttenstadt. Es gebe zurzeit aber „keine Erkenntnisse“, die auf weitere Leichen hindeuteten, sagte Neff.

In den nächsten zwei bis drei Wochen wird ein psychiatrisches Gutachten über die 39-jährige Sabine H. erstellt, die seit Montag wegen des Verdachts auf neunfachen Totschlag in Untersuchungshaft sitzt. Sie wird verdächtigt, zwischen 1988 und Ende der 90er-Jahre neun Babys zur Welt gebracht, sie nach der Geburt getötet und erst in Blumenkästen auf ihrem Balkon, später auf dem Grundstück ihres Elternhauses in Brieskow-Finkenheerd versteckt zu haben.

Möglicherweise werden noch im Laufe dieser Woche die Ergebnisse des DNA-Tests vorliegen, der die Vaterschaft der toten Babys klären soll. Sabine H. hatte bei ihrer Vernehmung angegeben, dass ihr ehemaliger Ehemann der Vater sei. Von ihm lebte sie schon lange getrennt, dieses Jahr wurde die Ehe rechtskräftig geschieden. Der Mann hatte der Staatsanwaltschaft gegenüber glaubhaft angegeben, dass er die Schwangerschaften nicht wahrgenommen habe. „Wir haben keine Veranlassung, das nicht zu glauben“, so der Sprecher der Frankfurter Staatsanwaltschaft.

Sabine H. hat drei erwachsene Kinder im Alter von 21, 19 und 18 Jahren, die bei ihrem ehemaligen Mann aufgewachsen sind. Außerdem ist sie Mutter einer anderthalbjährigen Tochter. Wo das Kind derzeit lebt, wollte die Staatsanwaltschaft aus Gründen des Zeugenschutzes nicht sagen. Derzeit läuft eine Anzeige wegen des Verdachts der Vernachlässigung der Fürsorgepflicht gegen Sabine H. Ihre Nachbarn in Frankfurt (Oder) hatten vor sechs Wochen die Polizei wegen Ruhestörung gerufen. Die Beamten trafen Sabine H. stark alkoholisiert und das Kind verwahrlost an. Diese Anzeige wird in das Verfahren gegen Sabine H. einfließen.

Auf der Suche nach Erklärungen für die Tat machte Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gestern die Verhältnisse in der ehemaligen DDR mitverantwortlich für Verwahrlosung und Gewaltbereitschaft. Der Hallenser Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz widersprach ihm und sagte, die Umbrüche nach der Wende könnten mitverantwortlich sein für Gewaltverbrechen wie Kindstötungen. BARBARA BOLLWAHN

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