Streit um Rohstoffe

■ In London klagen Zinnhändler gegen Mitgliedstaaten des ehemaligen Zinnrates / Vertrauen erschüttert

Berlin (taz) -Der Zusammenbruch eines bedeutenden Rohstoffabkommens, des Zinnrates, bekommt jetzt ein juristisches Nachspiel vor einem Londoner Gericht. Zinnhändler fordern von den Mitgliedsländern insgesamt 400 Millionen DM, die Bundesrepublik soll 112 Mio. berappen. Sie argumentieren auch damit, die Glaubwürdigkeit der internationalen Rohstoffpolitik insgesamt retten zu wollen. Rechtzeitig vor der nächste Woche beginnenden Welthandelskonferenz GATT wird dadurch noch einmal die Fragwürdigkeit von zwischenstaatlichen Abkommen vor Augen geführt, mithilfe derer die Preise für Rohstoffe künstlich hochgehalten werden sollen. Der „Zinnrat“, zu dem sich insgesamt 22 Entwicklungs– und Industrieländer zusammengeschlossen hatten, sorgte mit Hilfe von Aufkäufen zu Mindestpreisen bis vergangenen Herbst zu einem Zinnpreis weit über der auf dem Weltmarkt sonst vorherrschenden Marge. Dieses System erfreute nicht nur die Zinnexportländer, allen voran Malaysia, sondern insbesondere auch große Zinnhandelsfirmen. Dann kam der große Knall, der Zinnrat hatte aufgrund fehlender Regierungszuschüsse kein Geld mehr. Ab 4. Oktober 1986 konnte das Metall nicht mehr zur Preisstützung aufgekauft werden. Der Zinnpreis fiel von 9.000 auf 3.500 britische Pfund je Tonne. Zinnproduzenten und -makler kamen in Schwierigkeiten, und das Bankengewerbe, das Produktion und Handel mit Krediten finanziert, begannen ihr Zinnengagement zu überprüfen. Dies alles wollen die Zinnhändler nicht hinnehmen, elf von ihnen haben sich zu einer Firma „Tinco International“ zusammengeschlossen, die jetzt gegen die Mitgliedsstaaten am Sitz des Rates, London, klagt. Der Glaube an die Unverletzlichkeit von Verträgen zwischen Regierungen und Unternehmen habe gelitten wie auch das Vertrauen in andere internationale Rohstoffabkommen, erklärte „Tinco“ sicher zurecht vor Gericht. Ulli Kulke