Ölschock für DDR–Handel

Im April hat die DDR–Staatsführung ihre Direktive für den kommenden Fünfjahresplan (1986–1990) vorgelegt: er befiehlt einen „bedeutenden Exportüberschuß mit den kapitalistischen Ländern“. Ob man der gespannten Bevölkerung auch hier die allerorten übliche „Planübererfüllung“ präsentieren kann, ist zweifelhaft. Die Verwerfungen des kapitalistischen Weltmarktes bereiten dem DDR–Außenhandelsminister Beil zur Zeit Kopfzerbrechen. Auch für die DDR gilt nämlich, daß besonders der Ölpreisverfall mehr Probleme schafft als löst, obwohl die Arbeiter und Bauern das Öl importieren müssen. Staatssekretär von Würzen vom Bundeswirtschaftsministerium und DDR– Minister Beil machten zur Messeeröffnung auf Schönwetter. Gleichlautend erklärten sie, daß der diesjährige Rückgang (Januar–Juli) im beiderseitigen Handel um 7% gegenüber dem ersten Halbjahr 1985 insgesamt gesehen nur die Preisrückgänge widerspiegele. Die Import– und Exportmengen seien in etwa gleich geblieben. Aber auch sie können nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Schlüsselbereiche des „innerdeutschen“ Handels zur Zeit in einer Krise stecken. Die Wurzel des Übels für die DDR ist dabei die Kluft zwischen den sehr schwerfälligen Strukturen des Handels innerhalb des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW, „Ostblock“) einerseits und dem wetterwendischen, schnellebigen kapitalistischen Weltmarkt andererseits: So paßt die UdSSR die Preise für ihre Erdöllieferungen in die DDR nur sehr zögernd an die sinkenden OPEC– Margen an. Ein Grund: Neubewertungen sind im RGW–Bereich schon allein deshalb schwierig, da die Umrechnung etwa von Dollar in den „Transferrubel“ kaum möglich ist. Jedes RGW–international gehandelte Gut muß in schwierigen Verhandlungen gegen die anderen Export– und Importprodukte in Preisrelation gesetzt werden. Da nun aber die DDR bei Gründung des RGW zur Schwerpunktproduktion und -export von Plaste– und Elaste–Chemie (v. A. auf Ölbasis) verdonnert worden war, muß sie sich jetzt auf den westlichen Märkten mit der Konkurrenz herumschlagen, die hocherfreut das billigere OPEC–Öl weiterverarbeiten kann. Zum Einkauf bei der OPEC fehlen der DDR Devisen, und da sie wegen der scharfen Konkurrenz jetzt weniger im Westen verkaufen kann, bekommt die Devisenkasse ein noch größeres Loch.Darüber klagen nun auch die bundesdeutschen Aussteller auf der Leipziger Messe, die Aufträge aus der DDR sprudeln nicht gerade. Kein Wunder: Die Erdölprodukte machten beim Westexport der DDR 1984 rund 30% aus, zu heutigen Preisen erzielt die DDR dafür nur etwa ein Drittel des damaligen Erlöses, das bedeutet einen Ausfall von 20% in der Devisenbilanz. Und wenn denn doch Aufträge eingehen, klingelt die Kasse beileibe nicht sofort: Die Exporteure klagen darüber, daß ohne die Gewährung von Zahlungszielen“ (Fristen) von etwa einem Jahr kaum noch etwas läuft, bei Investitionsgütern betragen sie gar zwei bis fünf Jahre. Aber nicht nur die Plaste– und Elastekombinate leiden unter Exportschwierigkeiten. Der niedrige Dollarkurs hat dazu geführt, daß Hemden und Hosen aus fernöstlichen Ländern auf dem bundesdeutschen Markt zur Zeit um 25% billiger angeboten werden. Will die DDR in der Textilbranche - auch einer Säule ihres BRD–Exportes - mithalten, muß auch sie mit den Preisen herunter. Eine Möglichkeit, nicht zu große Marktanteile zu verlieren, sind die „Gegengeschäfte“: Will eine Maschinenbaufirma Technisches an die DDR verkaufen, muß sie sich hinterher auch schon mal Gedanken darüber machen, wie sie die Unterwäsche aus Leipzig hier verhökert, die sie dafür erhalten hat. „Der Druck zu Gegengeschäften wird größer“, erklärte die Berliner Treuhandstelle für den BRD–DDR–Handel gegenüber der taz (siehe Kasten), eine kontinuierliche Erscheinung der vergangenen Jahre. Der DDR bringt der Westhandel also bis auf weiteres eher bedeutende Probleme als bedeutende Überschüße. Ulli Kulke