I N T E R V I E W Ein Fonds zur Unterstützung sozialer Experimente

■ Zukunftsforscher Robert Jungk sieht in der Gründung der Heinrich–Böll–Stiftung neue Chancen für eine alternative Kultur

taz: Was soll so eine Stiftung, wie Ihr sie jetzt unter dem Namen Heinrich Bölls initiieren wollt? Robert Jungk: Seit vielen Jahren hab ich mich bemüht, möglichst viele alternative Projekte kennenzulernen. Die besten Projekte gehen oft nach einiger Zeit aus Geldmangel zugrunde. Eine alternative Kultur kann nur entstehen, wenn dafür eine Geldquelle zur Verfügung steht, die „unverdächtig“ ist. Das scheint mir hier der Fall zu sein. Es bietet sich hier die großartige Möglichkeit, die alternative Kultur aus dem Zustand des „von der Hand im Mund“–Lebens herauszuholen. Unverdächtig wäre eine solche Stiftung ja nicht unbedingt für alle. Einige hegen den Verdacht, daß hier ein parteibürokratischer Apparat aufgebaut wird. Das wäre natürlich ganz schlimm. Ich bin ja bewußt kein Mitglied irgendeiner Partei. Viel wird natürlich davon abhängen, daß genügend unabhängige Persönlichkeiten mitmachen und nicht nur Parteileute. Das wird aber eine Gratwanderung zwischen den beiden Ansprüchen: parteiunabhängig, aber parteinah gleichzeitig zu sein. Richtig... Da wird es ja schon ein Problem, daß die Grünen der Geldgeber sein werden... ...Nein, nein. Das Geld stammt aus dem Nachlaß von Böll. Aber jetzt geht es doch um Gelder, die vom Bundeshaushalt lockergemacht werden sollen. Ja. Wenn man das denen allein überlassen würde, käme es zu einer reinen Geldvergabestelle der Partei. Aber wir müssen bei der Skepsis auch immer abwägen, was passiert, wenn wir die Stiftung in Gang bringen, und was passiert, wenn wir es lassen. Und da würden wir uns eine Chance entgehen lassen, einmal etwas völlig Neues in Gang zu bringen. Bei den Grünen geht es ja nicht nur um die Kontrolle durch die Partei, da kann man ja auch gelegentlich gehörig zwischen die Fronten der Flügel geraten. Der Umgang mit ganz konkreten Projekten, um die es dann geht, wird uns aus diesem Hickhack herausführen, das hoffe ich wenigstens. Es geht ja im übrigen nicht nur um Grüne, Walter Jens und auch andere, die eingeladen sind, waren ja auch mal auf SPD– Kongreß. Ihr dürft das nicht durch die übliche Brille der Parteifinanzierung sehen. Es geht hier um die große Chance, endlich einmal etwas von dem Neuen, das sich in unser aller Köpfen bewegt, konkret umzusetzen, damit ein Signal zu geben und einen Prozeß auszulösen. Streitfrage könnte doch aber z.B. die Unterstützung von Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt sein. Ich würde hoffen, daß wir auch in der Dritten Welt konkrete Projekte unterstützen, etwa die Unterstützung von Gefangenen, Rechtsbeistand–Projekte oder anderes, da geht es ja nicht um Gewalt. Im Einladungsbrief ist ja die gesamte Palette grüner Politikbereiche als mögliche Arbeitsfelder für die Heinrich–Böll–Stiftung aufgeführt, wo würdest Du denn Deine persönlichen Schwerpunkte setzen. Mein größtes Interesse sind selbstverwaltete Betriebe. Die Freisetzung durch Arbeitslosigkeit kann man auch positiv sehen. Vielen Arbeitslosen könnte die Möglichkeit gegeben werden, sich als Pioniere einer anderen Lebensform zu betätigen. Die schwebt also kein grünes Bildungswerk vor wie vielen anderen? Nein, um Gottes Willen. Es soll ein Fonds zur Unterstützung sozialer Experimente sein. Ich bin ja Vorsitzender eines Instituts für soziale Erfindungen in London (Institute for Social Inventions). Technologisch wird so viel erfunden, sozial so wenig. Und wenn wir sozial etwa erfinden, dann können wir es nicht ausprobieren. Das soll geändert werden. Das Interview führte Ulli Kulke