Die Grünen und die Stiftungsfrage

■ Prominente wollen Gründung der Heinrich–Böll–Stiftung initiieren / Grüne Gremien fühlen sich übergangen

Für den kommenden Sonntag ist in Köln ein Gründungstreffen für eine grün–nahe Stiftung geplant. Die Idee ist nicht neu, doch fühlen sich grüne Gremien übergangen. Die Initiatoren jedoch begreifen sich als eine Gruppe von Einzelpersonen, die sich natürlich über so eine Initiative Gedanken machen dürfen. Welche Ergebnisse das Treffen bringt, bleibt abzuwarten.

„Das ist ja ein dickes Ei, daß da eine Gruppe von Privatleuten so einen Vorstoß macht“, empörte sich Jutta Ditfurth, eine der drei Vorstandssprecherinnen der Grünen gestern. Das Ei: Eine Gruppe von zehn Grünen und nichtgrünen Prominenten (Annemarie Böll, die Witwe Heinrich Bölls, Robert Jungk, Lukas Beckmann, Otto Schily, Fraktionsgeschäftsführer Michael Vesper u.a.) hat rund siebzig Gleichgesinnte und Prominente zu einem Treffen am Sonntag eingeladen, um die Diskussion über eine Grüne Stiftung unter dem Namen „Heinrich– Böll–Stiftung“ voranzutreiben. Es geht um viel Geld: Die Tatsache, daß die Grünen in den Parlamenten vertreten sind, verschafft ihnen - wie den „Altparteien“ - die Möglichkeit, Staatsknete in zweistelliger Millionenhöhe für eine partei“nahe“ Stiftung lockerzumachen. Damit könnten dann - wie z.B. bei der Friedrich–Ebert– Stiftung - Bildungseinrichtungen oder auch förderungswürdige Projekte aus den Bereichen Kultur, Wirtschaft, Ökologie, Frauenarbeit oder ähnlichem unterstützt werden. Jutta Ditfurth dagegen versteht sich als Hüterin von Parteibeschlüssen und verweist auf die Entscheidung des Bundeshauptausschusses der Partei (BHA, höchstes Organ zwischen den Parteitagen). Der BHA hatte im August festgelegt, daß „für das Rechnungsjahr 1987 keine Gelder für Stiftungen und andere Gelder, die mit diesem Themenkomplex in Zusammenhang stehen, beantragt“ werden. Vorausgegangen war das Urteil in einem Prozeß der Grünen vor dem Bundesverfassungsgericht (BVG) gegen die Stiftungen der vier anderen Parteien, die nach grüner Meinung illegal zur Finanzierung von CDU, CSU, SPD und FDP Beihilfe leisteten. Staatsknete Eine Reihe von Grünen hatte nach dem Urteil, das die grünen Vorbehalte allerdings als unbegründet verwarf, Bedenken, daß die Partei nun Vorstöße unternehmen könnte, die den Eindruck erwecken, man wolle nun ähnlich Staatsknete „abzocken“ wie die Gegner im BVG–Prozeß. Andere wiederum haben Angst, die Grünen könnten angesichts der auf sie zukommenden Millionenbeträge eine undurchsichtige Parteienbürokratie entfachen. Der BHA versuchte daher im August auch, alle möglichen Hintertürchen abzudichten, die sich manche Stiftungsstrategen der Partei ausdenken könnten: „Von der Fraktion dürfen keinerlei Initiativen ergriffen werden, die eine Entscheidung präjudizieren“. Der BHA hatte sich allerdings ausdrücklich dazu bekannt, einen Diskussionsprozeß über die Schaffung einer Stiftung in Gang zu setzen. Eine Kommission aus Bundesvorstand, den Landesverbänden und den (thematischen) Bundesarbeitsgruppen sollte geschaffen werden. Lukas Beckmann, ebenfalls Vorstandssprecher der Partei, will deshalb auch nicht die scharfen Vorbehalte seiner Kollegin Ditfurth gelten lassen, die sogleich „Stellenbeschaf fungsprogramme“ einiger Grünen wittert. Man habe die Einladung an die 70 Prominenten (z. B. Helmut Gollwitzer, Ingeborg Drewitz, Helke Sander, Margarete von Trotta, Wolfgang Niedecken, Helmut Frenz) in Kenntnis des BHA–Beschlusses gefaßt. Man betrachte sich als eine Gruppe von Einzelpersonen, die sich natürlich über so eine Initiative Gedanken machen dürfe, die sich „sicher über mehrere Jahre hinziehen“ werde. Die Kommission, die der BHA vorgesehen habe, sei im übrigen noch nicht einmal konstituiert. Dritte–Welt–Projekte Der Gedanke an eine grüne Stiftung ist dabei wahrlich nicht neu. Und wenn Beckmann und seine Mitinitiatoren ihren Vorstoß auch nicht mit dem gesamten Vorstand oder der übrigen Partei vor Abfassung des Briefes abgesprochen hatten, so kann von einem übereilten Vorpreschen kaum die Rede sein. Am weitesten voraus war dabei der Dritte– Welt–Bereich der Grünen. Viele Solidaritätsarbeiter haben es nie begriffen, warum die Partei für ihre Dritte–Welt–Arbeit nicht wenigstens einen Teil der 60 Mio. DM aus dem Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Beziehungen (BMZ) loszueisen versucht, die ihr nach dem Sitzanteil in den Parlamenten eigentlich zustehen würden. Kurz vor der BHA–Sitzung hatte sich die grüne Internatonalismus–AG mit einer Reihe von Initiativen getroffen, und man faßte eine Handvoll Dritte–Welt–Projekte ins Auge, für die beim BMZ Gelder beantragt werden sollten - etwa drei bis vier Millionen DM - schon für das Haushaltsjahr 1987. Bereits jetzt unterstützt der „Solidaritätsfonds“ aus Wahlkampfkosten– Rückerstattungsgeldern solche Projekte in Höhe von rund 400.000 DM jährlich. Man wollte die Gründung eines parteiunabhängigen Trägervereines in Gang bringen - eine Voraussetzung, um an die Gelder heranzukommen. Mehr als die drei–vier Millionen sollten in der ersten Zeit nicht beantragt werden, um den Apparat nicht zu schnell zu groß werden zu lassen. Indes, der BHA– Beschluß machte den Entwicklungspolitikern der Partei einen dicken Strich durch die Rechnung. Langfristige Diskussionen Für Gaby Gottwald, ehemalige Bundestagsabgeordnete und Entwicklungsexpertin, ist das angesagte Treffen am kommenden Wochenende kein Ersatz. Zum einen sei die langfristige Diskussion über eine Gesamtstiftung, die an die weit höheren Globalzuschüsse direkt aus dem Bundeshaushalt herankommen will, kein Ersatz für den kurzfristigen Vorstoß in Sachen Dritte–Welt–Projekte beim BMZ. Zum zweiten sei das Treffen viel zu sehr auf die Prominenz seiner Teilnehmer abgestellt. Das plagt auch Bundesgeschäftsführer Eberhard Walde: „Mit einem Initiativenmodell hat das wenig zu tun“. Er bemängelt entsprechend, daß laut geplantem Satzungsentwurf für die Heinrich– Böll–Stiftung keine „juristischen Personen“ (Initiativen, Verbände etc.) aufgenommen werden können. In der Klausel „Es besteht kein Rechtsanspruch auf Aufnahme“ wittert er auch die Gefahr von Exklusivität in der Stiftung. Ansonsten findet er jedoch, daß das Treffen dem Beschluß des BHA nicht widerspricht. Bislang gibt es stiftungsähnliche Organisationen, die als „grün–nah“ zu bezeichnen sind, nur auf Länderebene. Kurz nachdem die Grünen in den Bundestag einzogen, war die Diskussion über eine Stiftung mit dem Namen „Dezentrale“ in diversen Zirkeln, Fraktionen und Arbeitsgruppen bereits recht weit fortgeschritten, über die Jahre jedoch eingeschlafen, da man das Urteil des BVG zuerst abwarten wollte. Ulli Kulke