Normalvollzug ad absurdum geführt

■ Gefangener wurde wegen zu „intensiven“ Kontakts zu inhaftierten RAF–Mitgliedern verlegt / Erstmals schriftliche Begründung der Anstaltsleitung / Gefangener will Rückverlegung per Gerichtsentscheid erreichen

Aus Heidelberg Rolf Gramm

Weil er zu seinen Mitgefangenen Günter Sonnenberg und Roland Mayer zu engen Kontakt pflegte, ist der Häftling Günter Müller Ende August aus der Bruchsaler Vollzugsanstalt in die JVA Kassel 1 verlegt worden. Für die Anwälte der RAF–Häftlinge verliert die Aufforderung, die politischen Gefangenen sollten sich um Integration in den Normalvollzug bemühen, mit dieser offen begründeten „Kontaktsperre“ weiter an Glaubwürdigkeit. In der der taz in einer Abschrift vorliegenden Verfügung des Leiters der Bruchsaler Vollzugsanstalt, Preusker, heißt es, bei Müller habe sich eine zunehmende, an den Zielen der RAF orientierte Politisierung abgezeichnet. „Offensichtlich beruht diese Entwicklung auf dem Einfluß von zwei Mitgefangenen, die wegen Straftaten im Rahmen ihrer Zugehörigkeit zur RAF in der Vollzugsanstalt Bruchsal inhaftiert sind. Diese sind inzwischen zu seinen Hauptbezugspersonen geworden, mit denen er täglich während des Hofgangs intensiven Kontakt pflegt.“ Er korrespondiere nahezu ausschließlich mit „Gesinnungsgenossen“ und beziehe „linksorientierte Zeitschrif ten wie sblättle“ und knipselkrant. Aus „Behandlungsgründen“ sei es daher notwendig, dieser Entwicklung „durch Verlegung in eine andere Vollzugsanstalt entgegenzuwirken“. Für Müllers Anwalt Elard Biskamp ist der Vorgang kein Einzelfall. „Daß diejenigen sanktioniert werden, die zu den politischen Gefangenen einen Bezug aufbauen, ist schon seit Jahren bekannt. Wenn gegen die Forderung der Gefangenen nach Zusammenlegung argumentiert wurde, sie sollten lieber die Integration in den Normalvollzug anstreben, haben wir immer auf diese Schikanen hingewiesen. Neu sei jetzt aber, daß man die Begründung für eine derartige Maßnahme einmal schriftlich fixiert vorliegen habe. Nach Angaben des Heidelberger Rechtsanwalts Gerhard Härdle, der Roland Mayer vertritt, sind die beiden Bruchsaler RAF–Gefangenen der Auffassung, daß mit der Verlegung Müllers „das Lockangebot, Normalvollzug anzustreben, endgültig ad absurdum geführt wurde“. Günter Müller will sich mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung an die Landgerichte in Kassel und Karlsruhe wenden, um seine Rückverlegung nach Bruchsal zu erreichen.