Siemensminister Warnke als Entwicklungshelfer

■ Grünen–Studie stellt fest: 80 Prozent des Großanlagenbaus des Münchner Konzernriesen in der „Dritten Welt“ wird aus öffentlichen Entwicklungshilfegeldern subventioniert

Von Ulli Kulke

„Ich benutze diese Gelegenheit, um mich bei Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesminister, sehr herzlich zu bedanken für die generelle Aufgeschloßenheit Ihres Ministeriums bei der Finanzierung derartiger Großprojekte, die ja weltweit hart umkämpft sind und meist über die Finanzierung entschieden werden.“ Der Adressat dieses Briefes, vom Chef eines der größten bundesdeutschen Industrieunternehmen verfaßt, ist nicht etwa ein Bundeswirtschafts– oder Finanzminister. Der vom Siemens– Vor standsvorsitzenden KarlHeinz Kaske abgesandte Brief ging an Jürgen Warnke, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), der „seine“ Gelder anstatt für Entwicklungshilfe spendablerweise für die Förderung des bundesdeutschen Großanlagenbaus im Ausland einsetzt. Die Korrespondenz ist bereits gut eineinhalb Jahre alt - seither jedoch blühten die geschäftlichen Verbindungen des Münchner Unternehmens mit dem CSU–Minister erst richtig auf. Dies belegt eine Dokumentation der Bundestagsfraktion der Grünen, die heute der Presse in Bonn vorgestellt wird. Ganz offenbar werden da nicht mal eben irgendwelche kleineren Beträge abgezweigt: Sage und schreibe 80 Prozent seiner Exportgeschäfte im Großanlagenbau in der „Dritten Welt“ konnte der Siemens–Konzern 1984 und 85 mit finanzieller Unterstützung aus dem Entwicklungshilfe–Etat bewerkstelligen. Bei sechs von insgesamt acht Großanlagen (Volumen über 60 Millionen DM), die der Münchner Konzern in den vergangenen zwei Jahren in Entwicklungsländern plazierte, konnte sich Kaske hinterher bei seinem Landsmann Warnke bedanken. Da werden dann hochmoderne digitale Telefonsysteme, große Kraftwerke oder auch Dutzende von Lokomotiven nach Pakistan, Bangladesh oder Indonesien verkauft - auf Kredit, versteht sich, wodurch die Schuldenklemme für die Länder noch dramatischer wird. Dabei ist Siemens nur das allerliebste Kind des Ministers, eine Handvoll anderer Konzerne sahnt ebenfalls ab: Das Haus Warnke machte subventionierte Kredite locker in Höhe von 40 Prozent aller Geschäftsabschlüsse im Großanlagenexport der bundesdeutschen Industrie 1984 und 85. Der Trick: Das BMZ vermengt seine eigenen öffentlichen Kredite aus dem Haushaltstitel „Finanzielle Zusammenarbeit“ (FZ) mit handelsüblichen Privatkrediten zu „Mischkrediten“, die aufgrund diverser Richtlinien als Gesamtpaket „liefergebunden“ sind, d.h. vom Empfängerland nur für vorher vereinbarte Lieferungen von Industriegütern aus der BRD verwendet werden dürfen. Und hier vereinbart das BMZ ganz im Sinne von Siemens. Projekte der Entwicklungshilfe werden dabei eigens gestrichen, um dafür vorgesehene Gelder zweckentfremden zu können. Nicht nur, daß bei den Haushaltsplanungen dem Parlament immer mehr Mischfinanzierungsprojekte vorgelegt werden: Bereits vom Parlament verab schiedete BMZ–Etats werden darüber hinaus im Nachhinein vom Minister selbst im laufenden Haushaltsjahr „reprogrammiert“, um noch mehr Gelder für den Großanlagenexport freizubekommen. Bewässerungsprojekte, Aufforstungsprogramme und anderes mehr für die ländliche Entwicklung oder auch grundbedürfnisorientierte Vorhaben fallen dann dem Rotstift zum Opfer. Das führte dann 1985 zu der haushaltsrechtlich völlig unhaltbaren Situation, daß weniger als die Hälfte der letztendlich in Gang gesetzten „Projekte“ dem Parlament zur Genehmigung vorgelegen hatten. Alle anderen - überwiegend Mischfinanzierungsprojekte - hat das Ministerium eigenmächtig „vereinbart“. Warnke hat offenbar keine Scheu, in die Vollen zu gehen. Während zu Zeiten von SPD–Entwicklungshilfeministern, die die Mischkredite erfunden haben, knapp über 100 Millionen DM pro Jahr aus dem FZ–Titel des Ministeriums in Mischkredite gingen, hat Warnke es geschafft, in den drei Jahren, von 1983–85, den ganzen Kredit–Titel seines Haushaltes im Sinne von Siemens umzukrempeln: Insgesamt 1,9 Milliarden DM hat er für den Großanlagenexport in Mischkrediten investiert - ein Drittel des gesamten FZ–Titels aus seinem Haushalt, aus dem eigentlich zinsgünstige Kredite an die armen Länder vergeben werden sollen. Etwas hat sich seit dem Brief Kaskes an Warnke allerdings auch noch geändert: Die Zeiten sind härter geworden für die beiden. Die Empfängerländer wollen es nicht mehr akzeptieren, daß sie zunehmend mit liefergebundenen Mischkrediten überschüttet werden, die vorgeschriebene Verwendung der Mittel für Großanlagen aus der BRD paßt ihnen nicht. Außerdem sind aufgrund des privaten Anteils der Mischkredite die Zins– und Tilgungsbedingungen fast so schlecht wie bei den handelsüblichen Geschäftskrediten. Das bedeutet, daß Warnkes Mischfinanzierung in ähnlicher Weise zur Verschuldung der Entwicklungsländer beiträgt wie jeder handelsübliche Kredit, und da sind die Schuldnerländer in letzter Zeit vorsichtiger geworden. Indonesien wollte daher im vergangenen Jahr einen Schlußstrich unter das Thema Mischkredite ziehen, hatte aber die Rechnung ohne Warnke gemacht. Bei den Regierungsverhandlungen Ende letzten Jahres machten Warnkes Unterhändler nämlich bereits am Telefon klar, daß das BMZ gewillt ist, überhaupt nur noch Mischfinanzierungsprojekte als „Entwicklungshilfe“ zu vereinbaren. Damit waren die Verhandlungen bereits im Vorfeld geplatzt, die bundesdeutsche Delegation reiste erst gar nicht nach Jakarta. Das „Entwicklungshilfe“–Geschäft mit dem Inselstaat befindet sich seitdem in der Schwebe. Die vermeintliche Hilfe muß Warnke eben bisweilen anbieten wie Sauerbier. Bei der Kreditsubventionierung durch das BMZ geht es in Wahrheit um nichts anderes als um den Zuschlag für bundesdeutsche Firmen im Auslandsgeschäft. Und wo Warnkes Hilfe nicht mehr reicht, tritt auch schon mal Bestechung durch die Lieferfirmen hinzu, um den Zuschlag zu erhalten - so bei einem BMZ–geförderten Mischfinanzierungsvorhaben in Ägypten für eine Papier– und Zellstoffabrik Anfang 1986 - angeblich Entwicklungshilfe. Ägyptische Beamte ertappten die Deutschen auf frischer Bestechungstat. Ein Angehöriger der deutschen Lieferfirma brummt seither im Kairoer Knast - Warnke ist noch frei. Ob er nach der nächsten Bundestagswahl Siemens–Aufsichtsratschef wird? Die Studie: „Warnkes Milliardengeschäfte - Die Vergeudung der Entwicklungshilfe“, elf Seiten mit Tabellenanhang, ist zu bestellen bei: Die Grünen im Bundestag, AG Dritte Welt, Bundeshaus, 5300 Bonn 1