Sündenböcke fürs Erdbeben gesucht

■ Nach dem Beben von Kalamata schieben sich Linke und Rechte gegenseitig die Verantwortung zu / Vorwarnungen mißachtet

Aus Athen Georg Schwarz

Zwanzig Tote, mehr als ein Dutzend Vermißte und über 300 Verletzte sind bislang die Bilanz des schweren Erdbebens, das die südwestliche Provinz des Peloponnes, Messinia, am vergangenen Samstag und dann nochmals am Montag heimsuchte. Die Sachschäden sind noch nicht einmal geschätzt. Von den 175 Häusern des Dorfes Eleochori stehen nur noch vier. Die Provinzhauptstadt Kalamata ist beinahe vollständig zerstört und ähnelt jetzt einer Geisterstadt: 80 Prozent der Gebäude der Stadt sind offiziell als unbewohnbar erklärt worden. Nach Presseberichten über noch bevorstehende schwere Erdstöße verlassen die Bewohner Kalamatas in Scharen das einst beliebte Touristenzentrum. Das Geschäftsleben ist vollends lahmgelegt und in der Stadt häufen sich die Abfallberge. Die Regierung versucht inzwischen die zurückgebliebene Bevölkerung Kalamatas zu beruhigen und läßt das staatliche Fernsehen und Radio immer wieder Beschwichtigungen ausstrahlen: Al les sei unter Kontrolle und die Stadt werde bald wieder zum normalen Leben zurückfinden. Staatspräsident Christos Sartzetakis versichterte den Betroffenen, die Koordination vom Hilfedienst sei noch nie so gut gewesen wie jetzt. Das genaue Gegenteil behauptet die konservative Opposition, in der Hoffnung, das Desaster für die in wenigen Wochen anstehenden Kommunalwahlen zu nutzen. Sie malt die Situation der Obdachlosen mit den schwärze sten Farben. Nach der konservativen Apogevmatini würde die Zahl der für die Obdachlosen bereitgestellten Zelte kaum ausreichen. Nahrungsmittel seien knapp, der Gestank von verfaultem Fleisch sei überall zu riechen und die Gefahr von Epidemien sei groß. Die linke Presse konzentriert sich auf die Frage, ob überhaupt so viele Opfer nötig waren: Schon am vergangenen Montag veröffentlichte das progressive Blatt Proti Berichte, wonach der Vorsitzende des Vereins griechischer Geophysiker, Professor Gerassimos Papadopoulos, vor etwa einem Monat in Kiel vor einem schweren Beben gewarnt hatte. Die sozialistische Regierung in Athen ignorierte diese Erklärung sowie die Bitte des Experten, ihn zum empfangen. Die linksliberale Elefterotypia zieht die Bauunternehmer für das Ausmaß der Katastrophe zur Verantwortung. Sie hätten während der Obristen–Junta 1967 bis 1974 beliebig an Baumaterial gespart und die Fundamente nicht tief genug in den sumpfigen Boden gesenkt. Die Meldungen über das Ausmaß der Katastrophe, über die Unfähigkeit der Regierung, auf Vorwarnungen zu reagieren sowie über die fehlgebauten Wohnungen tragen jedoch herzlich wenig zur Beruhigung der vom Erdbeben Betroffenen bei.