Die Spur des Ibrahim Abdallah

■ Das „Solidaritätskomitee für die arabischen politischen Gefangenen“ will mit Anschlägen die Freilassung des angeblichen Chefs der FARL und zwei anderer Gefangener erreichen

Das einzige, was man sicher von ihm weiß, ist eine merkwürdige Geschichte: Am 25. Oktober 1984 meldete sich ein Mann mit algerischem Paß auf den Namen Abdelkader Saadi bei der Polizei in Lyon und bat um Schutz. Er fühlte sich vom israelischen Geheimdienst Mossad verfolgt und bedroht. Doch die Leute, die ihn beschattet hatten, waren französische Geheimdienst–Agenten. Sie wußten, daß Saadi eigentlich Georges Ibrahim Abdallah heißt, und verdächtigten ihn, Chef der „Bewaffneten Revolutionären Libanesischen Fraktionen“ (auf französisch abgekürzt FARL) zu sein. Diese Gruppe hatte die Verantwortung für mehrere Attentate in Paris zwischen November 81 und Sommer 82 übernommen: darunter die Anschläge auf den US– Diplomten Addison Chapman, der den Anschlag überlebte, auf den US–Militätattache Charles Ray und den israelischen Diplomaten Yacov Barsimantow, die beide getötet wurden. Die Lyoner Polizei verhaftete Abdallah alias Saadi sofort. Später wird er zu vier Jahren Haft wegen unerlaubten Waffenbesitzes und anderer kleinerer Delikte verurteilt und sitzt seitdem in einem Pariser Gefängnis. Ein Prozeß wegen direkter Beteiligung an den FARL– Attentaten steht noch aus. Kurz nach der Verhaftung Ibrahim Abdallahs droht die FARL mit Anschlägen, wenn der Verhaftete nicht freigelassen wird. Im März 1985 entführte sie den Leiter des französichen Kulturzentrums in der nordlibanesischen Stadt Tripoli, Gilles Peyrolles. Die französische Regierung geht auf einen Tauschhandel ein. Peyrolles wird freigelassen. Aber bevor Ibrahim Abdallah aus dem Knast kommt, spielt der französische Geheimdienst den Medien die Nachricht zu, daß inzwischen eine Wohnung in Paris entdeckt wurde mit fünf falschen Pässen Abdallahs und den Waffen, mit denen die beiden Diplomaten getötetet worden waren. Statt Abdallah freizulassen, wird ein neues Verfahren gegen ihn eröffnet. Am 28. Februar dieses Jahres beklagte sich Abdallah in einem Brief an den Ex–Justizminister Badinter die „Naivität“ der Kämpfer im Libanon, „den Worten Frankreichs Glauben geschenkt zu haben“. Nachdem dieser Befreiungsversuch fehlgeschlagen war, begann im Dezember 1985 eine Serie von (bisher 11) Bomnenattentaten in Paris, die im Namen eines „Solidaritätskomitees für die arabischen politischen Gefangenen“ (in Frankreich) verübt werden. Einzige Forderung: die Freilassung Abdallahs sowie des Syrers Anis Nacoche (er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt wegen eines Anschlags auf den Ex–Premiermister des Schah, Schapur Bachtiar) und des Armeniers Warodschian Garbidschan ( ebenfalls zu lebenslanger Haft verurteilt wegen einen Bombenanschlags auf dem Flughafen Orly im Sommer 1983). Nachsatz: „Wir verhandeln nicht.“ Alles, was man sonst von Georges Ibrahim Abdallah weiß, stammt aus den Polizeiakten, und die wiederum beziehen sich auf Informationen libanesicher Falangisten. Danach stammt Abdallah, 1951 geboren, aus dem nordlibanesischen Ort Kbeyat, wo er sich Ende der 60er Jahre zunächst der laizistischen „Syrischen Volkspartei“ (PPS) und später der „Palästinensischen Volksfront“ von Georges Habbasch anschloß. 1980 soll er mit drei seiner Brüder, einigen Cousins und Cousinen die FARL gegründet haben. Angeblich wurde dieser Name gewählt, weil er an FAR erinnert, das ist die französiche Abkürzung für RAF. Aber das dürfte Polizisten–Latein sein. Die französische Polizei kam auf seine Spur, nachdem zwei Mitglieder der Gruppe in Italien verhaftet worden waren. Abdallah selber erzählte der Lyoner Polizei, nachdem seine algerische Identität aufgeflogen war, daß er einer „Revolutionären Bewegung der Arabischen Union“ angehöre, die mit der FARL nichts zu tun habe, sich nur deswegen für israelische und amerikanische Einrichtungen interessiere, um zu recherchieren, was diese gegen die Araber planen. Anders gesagt, er sei Politiker, kein Terrorist. Angesichts der Waffen– und Material–Funde in mehreren Wohnungen, in denen Abdallah zuminsdest verkehrte, glaubt dies in Frankreich so gut wie niemand. Thomas Hartmann