IWF nimmt US–Wirtschaft aufs Korn

■ Bundesfinanzminister Stoltenberg fordert im Vorfeld der Weltwährungskonferenz die USA auf, ihren Haushalt in Ordnung zu bringen US–Defizite werden auch vom IWF kritisiert / Drastische Steuersenkungen in den USA vom Repräsentantenhaus beschlossen

Von Ulli Kulke

Berlin (taz) - Ein „sehr ergiebiges Gespräch in einem vernünftigen persönlichen Klima“ habe man geführt, erklärte Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg nach der Unterredung mit seinem US–Kollegen Baker und dem Präsidenten der US–Zentralbank „Fed“, Volcker. Zwischen den Zeilen heißt dies, daß sich die bundesdeutsche Seite (Bundesbank–Chef Otto Pöhl war auch zugegen) mit den Washingtoner Herren heftig gestritten haben. Bei den Gesprächen, die am Samstag in Vorbereitung auf die morgen beginnende gemeinsame Jahreskonferenz von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank stattfanden, ging es erneut um das amerikanische Drängen gegenüber der Bundesrepublik und Japan: Sie sollen mit aktiver Konjunkturpolitik den Weltmarkt und darüber vor allem die darniederliegende US–Wirtschaft ankurbeln. Auch in der derzeit den Ton in der Weltwirtschaft angebenden „Gruppe der 5“, USA, BRD, Großbritannien, Frankreich und Japan, wurde darüber am Samstag und gestern beraten. Die Hoffnungen der USA auf Unterstützung durch die anderen Länder blieb im großen und ganzen unerfüllt, sie bleiben vorerst auf ihren Sorgen allein sitzen, als da sind: Handelsbilanzdefizit, Nahe–Null–Wachstum und niedriger Dollarkurs. Die Politiker der übrigen Länder wollen ihre Wirtschaft nicht durch Ankurbelungsmaßnahmen der Inflationsgefahr aussetzen, nur um Washington aus der Patsche zu helfen. Insbesondere erfüllte sich nicht die Hoffnung von Baker, Volcker und US– Handelsminister Yeutter auf die Unterstützung anderer Länder, die ebenfalls gegenüber der Bun desrepublik eine negative (“passive“) Handelsbilanz aufweisen, also von einer BRD–Ankurbelung ebenfalls profitieren könnten. Frankreich unterwarf sich jedoch der EG–Räson.Gewichtige Unterstützung erhielten die Kontrahenten der USA von der gestrigenVeröffentlichung des „ Weltwirtschafts–Ausblicks 1986“ des IWF. Darin wird betont, daß die USA ihre hausgemachten Probleme vor allem selbst lösen müssen, insbesondere das Haushaltsdefizit (230 Milliarden Dollar) - das ja bekanntlich durch das gigantische Rüstungsprogramm hervorgerufen wird. Das eine Prozent mehr Wachstum in der BRD und Japan, das sich die USA durch Zinssenkungen dieser Länder wünschen, könnte nach Ansicht des IWF das US–Leistungsbilanz– Defizit (1986: 123 Milliarden Dollar) um kaum mehr als 10 Mrd. drücken. Kein Wunder, daß Stoltenberg in Washington in einem Tonfall über die USA spricht, in dem diese Kreise sonst vor allem über die Volkswirtschaft von Schuldnerländern der Dritten Welt herziehen. Mit dem IWF im Rücken, der eigentlich als Sprachrohr der US–Währungspolitik gilt, meinte Stoltenberg: „Fortschritte in den USA kann man nicht bestreiten“, die Absicht die Haushaltslücke zurückzuführen, sei jedoch „mit zahlreichen Unsicherheiten behaftet“, da die wirtschaftlichen Grundlagen des Haushalts noch nicht feststünden. In der Tat könnten sich da künftig noch weit größere Probleme auftun. Das Repräsentantenhaus hat erst am Donnerstag die weitreichendste Steuerreform der USA seit einem halben Jahrhundert beschlossen (der Senat muß allerdings auch noch zustimmen). Da wird die Einkommenssteuer, immerhin eine nicht unbedeutende Einnahmequelle des Haushalts, bis 1988 drastisch gesenkt: von derzeit 11 bis 50 Prozent auf künftig 2 bis 28 Prozent. Für die Unternehmen soll der Spitzen steuersatz von 46 auf 34 Prozent sinken. Schon zum Anfang seiner Amtszeit ist Präsident Reagan mit seinem Plan auf den Bauch gefallen, über niedrigere Steuersätze die Privatwirtschaft zu mehr Investitionen zu animieren und auf diesem Umweg mehr Steuern einzunehmen. Die „Pferde haben nicht gesoffen“, und das Haushaltsdefizit hat sich folgerichtig vervielfacht.