I N T E R V I E W Rücktritte beim DGB geboten?

■ Der Fraktionssprecher der Grünen, Willy Hoss, über die Haltung der Grünenzum Neue–Heimat–Skandal

taz: Angesichts des Desasters der Neuen Heimat geht es um politische Grundsätze, auch für die Grünen, um Enteignung oder Verkauf? Hoss: Die Gewerkschaft hat sich auf dem Höhepunkt des Konfliktes ganz klar gegen eine genossenschaftliche und für eine privatwirtschaftliche Lösung entschieden. Sie muß sich der Tatsache stellen, daß diese Entscheidung nicht ohne weiteres hingenommen wird. Jetzt schon zeichnet sich ab, daß diese privatwirtschaftliche Lösung auf Kosten der Mieter gehen wird. Da es sich um öffentlich geförderte Wohnungen handelt, halte ich die im Grundgesetz vorgesehen Enteignung für geboten. Aber, die Situation ist neu und wir haben Mühe, über die Enteignung Konsens zu erzielen. Die Grünen tendieren eher dazu, daß der Staat kauft? Dagegen habe ich erhebliche Einwände: Ich will keine Stärkung der Staatsposition. Das heißt, daß die angelaufenen Schulden eben wieder vom Steuerzahler bezahlt werden. Ich möchte, daß auch Banken und der DGB gerade stehten. Wie siehst Du dann eigentlich die Zustimmung der Grünen zum Hessen–Deal? Der Kauf des hessischen Teils der Neuen Heimat durch die Regierung in Wiesbaden scheint mir aus der Not geboren. Ich weiß nicht, inwieweit sich das mit der Enteignungsforderung verbinden läßt, wie weit danach enossenschaften entstehen können. Sehr vorsichtig gesprochen: Ist das nicht grün/roter Filz? Zwischen unserer Position der Enteignung und den Verhandlungen hat es keine Abstimmung gegeben. Jan Kuhnert von den hessischen Grünen hat angedeutet, daß es da Spielräume für eine genossenschaftliche Lösung gibt. Aber die Gefahr besteht, daß der rote Filz noch grün überdeckt wird. Du bestehst bei den DGB–Oberen auf persönlichen Konsequenzen? Erstens gibt es eine breitere Diskussion innerhalb der Gewerkschaften. Wulf–Mathies z.B. hat jüngst erklärt, daß durch „Korruption“ der genossenschaftliche Gedanke „verstümmelt“ worden sei. Eine Formulierung, die auf persönliche Konsequenzen hinausläuft. Ich meine, daß eine Reihe von Personen, die in den Aufsichtsräten tätig waren, über ihre Verantwortung nachdenken sollte, bzw. daß die Gewerkschaft darüber nachdenken sollte. Du hast da aber Gegenwind sowohl von Fundi– als auch Realo–Grünen. Grüner Opportunismus? Es gibt die Angst, auf die Seite der „Gewerkschaftsfeinde“ zu geraten, und darüber hinaus die Annäherung zwischen Grünen und DGB zu gefährden. Das kann ich verstehen. Aber es geht um die Annäherung an die Basis, an die Kollegen oder um die Annäherung an die Funktionäre. Das Gespräch führte Klaus Hartung